Sketchnotes


Visuelle Notizen für Alles: von Business-Meetings über Partyplanung bis hin zu Rezepten
von Nadine Roßa
Rezension von Elisabeth Binder | 27. Februar 2017

Sketchnotes

Mit etwas Verspätung kommt Sketchnoting auch im deutschsprachigen Raum an, zumindest was einschlägige Publikationen dazu betrifft. Das Kunstwort „Sketchnote“ stammt vom „Vater“ des Sketchnoting Mike Rohde, einem Graphic Designer, der irgendwann einmal bemerkte, dass er Inhalte von Vortragsmitschriften („Notes“), die viele grafische Elemente („Sketches“) aufwiesen, einfach besser im Kopf behalten konnte.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass Sketchnoting zu einer Zeit populär wurde, wo händische Mitschriften und Notizen fast schon zu einer vergessenen Kunst geraten sind. Zu vielfältig und verlockend sind die Ablenkungen durch die kleinen digitalen Helferleins während eines Vortrags oder des Unterrichts. Lohnt sich denn der Aufwand überhaupt? Die Wissenschaft kommt hier in Form der kognitiven Psychologie zu Hilfe. Sketchnoting wird von seinen Proponenten als nachgerade ideale Manifestation der sogenannten „Dual Coding Theorie“ aus den 1970er Jahren verkauft. Das bedeutet schlicht und einfach, dass Sachverhalte aus dem Gedächtnis leichter abgerufen werden können, wenn sie sowohl mit Worten als auch mit Bildern abgespeichert wurden. Den Wert bildlicher Darstellungen für die Gedächtnisleitung und das Lernen herauszustellen war vor mehr als 40 Jahren sicherlich eine wichtige Erkenntnis. Inzwischen steht jedoch zu befürchten, dass die digitale Bilderflut diesen positiven Effekt wieder zunichtemacht

Die Ausgangssituation ist folgende: Jede/r kann schreiben und jede/r kann zeichnen, bei manchen funktioniert das schneller, bei manchen erfordert das, wie die Autorin richtigerweise betont, viel Übung. Schaut man sich allerdings die Biographien der am Ende des Buchs in Form von Sketchnotes interviewten Sketchnoter an, so gibt es da kaum jemanden, der nicht einen Hintergrund im grafischen Gewerbe oder Design hat. Daher sei allen blutigen AnfängerInnen geraten, zuerst die technischen Kapitel im Buch durchzuarbeiten und vielleicht, wenn das erste Notizbuch vollgeübt ist, die visuell sehr attraktiven Beispiele eingehender zu betrachten.
Ganz zu Beginn des Buchs gibt es ein paar wenige Seiten über die Geschichte und die wissenschaftlich erforschte Bedeutung von bildlichen Darstellungen im Wahrnehmungs- und Lernprozess. Daraus leitet die Autorin sieben gute Gründe ab, warum und in welchem Zusammenhang Sketchnotes sinnvoll einzusetzen sind. Danach folgen ein paar Beispiele für den Einsatz von Sketchnotes. Wer den Frustrationslevel niedrig halten möchte, blättert hier schnell weiter. Bevor es ans Zeichnen geht, gibt es noch Hinweise und Tipps zu geeigneten Materialien, wie Stiften und Papier. Den größten Teil des Buchs nehmen die Kapitel zu den einzelnen grafischen Elementen ein. Da zeigt sich, dass man mit Punkt, Strich, Kreis, Rechteck und Dreieck eigentlich sehr weit kommt – auch als bekennendes Nicht-Talent. Die Kunst besteht offensichtlich darin, Gegenstände und grafische Elemente auf eine Kombination dieser wesentlichen Formen zu reduzieren. Was dann noch zur Ansehnlichkeit hilft, ist die ständige Übung und die Entwicklung eines eigenen visuellen Vokabulars. Dafür bekommt man auf jeden Fall genügend Anregungen in diesem Buch.

Im Gegensatz zum Vorbild aller Sketchnote-Bücher, dem „Sketchnote Handbook“ von Mark Rohde, legt Nadine Roßa also mehr Wert auf den handwerklichen Aspekt des Sketchnoting, während die eigentliche Arbeit der Informationsverarbeitung nur kurz angerissen wird. Selbst das Kapitel über Strukturen und Aufbau von Sketchnotes bleibt im Technischen stecken. Rohdes Leitsatz, dass Sketchnotes „Ideas NOT Art“ seien, geht an Nadine Roßa mehr oder weniger spurlos vorüber. Ihr geht es im Wesentlichen um die Vermittlung von möglichst vielen praktischen Hinweisen, wie man ein visuelles Vokabular aus einem möglichst simplen visuellen Alphabet aufbauen kann. Wer sich damit zufrieden gibt und fleißig übt, lernt sicher etwas für den „Sketching“-Teil des Sketchnoting. Die duale Verarbeitung von Information und Ideen kommt damit aber zu kurz. Vielleicht ist dieser Anspruch ja auch zu hoch, denn im Untertitel des Buchs werden „visuelle Notizen für Alles“ versprochen und damit ist „von Business-Meetings über Partyplanung bis hin zu Rezepten“ offensichtlich nur der dekorative Aspekt gemeint.

Nadine Roßa legt mit „Sketchnotes“ einen praxisorientierten Einstieg in das Thema der visuellen Notizen vor, allerdings mit einer Einschränkung. Wer vor der Lektüre des Buchs die intellektuelle Arbeit beim Verfassen von Notizen, nämlich das Aufnehmen, Filtern und Zusammenfassen von Informationen, für überflüssig hält, der wird durch die Lektüre seine

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