Papier-Objekte aus alten Büchern: 55 Projekte

von Anka Brüggemann
Rezension von Elisabeth Binder | 26. Oktober 2015

Papier-Objekte aus alten Büchern: 55 Projekte

BuchliebhaberInnen mag es mit diesem Buch ungefähr so ähnlich gehen, wie Vegetariern mit einem Steak-Kochbuch. Ein leichtes Grauen macht sich breit: da schneidet jemand doch tatsächlich einfach in Bücher rein!  Was die einen als Sakrileg empfinden, sieht Anka Brüggemann, ihres Zeichen Inhaberin eines Geschäfts für eingefleischte Bookaholiker, als neue Lebenschance für veraltete und schwer beschädigte Bücher.

Brüggemann stellt insgesamt vier sehr unterschiedliche Arbeitstechniken vor, wie sich aus Büchern künstlerische Objekte herstellen lassen. Dazu gehören, in der Reihenfolge des nötigen Geduldpegels, Buchschnitte, Himmelis, Papierporzellan und Gefaltete Bücher.

Mit den Buchschnitten, also Scherenschnitten aus Buchseiten, die von einfachen Collagen bis zu 3D-Objekten aus Büchern reichen, lassen sich sehr einfach und mit wenig Aufwand dekorative Bilder erzeugen. Der Trick liegt hier in der Auswahl der Buchseiten, die neben der Form das eigentliche gestalterische Element darstellen.

Ein bisschen mehr Geduld wird für die Himmelis benötigt, die ihre Inspiration von einem in Skandinavien üblichen aus Roggenstroh angefertigten Weihnachtsschmuck erhalten. Hier werden Buchseiten zu Halmen gerollt und mit Bindfaden zu komplexen, dreidimensionalen Mobiles zusammengeknotet. Da kommen dann schon einmal schnell an die 200 Halme als Ausgangsbasis zusammen. Die vielleicht letzte praxisbezogene Anwendung für das Windows XP Buch, das in jedem guten Haushalt in die hinterste Ecke gerutscht ist. Das Kapitel enthält unter dem Titel "Inspirationen" zusätzlich noch Fotos von weiteren Himmelis der Autorin, die die Vielfalt dieser Technik deutlich illustriert.

Etwas unmotiviert hingegen fügt sich das Kapitel über Papierporzellan in den Reigen der Objekte. Die Autorin ließ sich dabei von papierdünnem chinesischem Porzellan inspirieren und verwendet Buchseiten, die auf Kartonmodelle von Löffeln, Tassen und Tellern kaschiert werden. Das in mühsamer Kleinarbeit entstandene papierene Kaffeegeschirr hat auf jeden Fall starkes Potential zum echten Staubfänger. Die Form ist einfach zu konkret, um die zweckentfremdeten Buchseiten mit ihrem Schriftbild zur Geltung kommen zu lassen.

Den Abschluss und Höhepunkt bilden die gefalteten Bücher, die genau das sind, was der Name verspricht. Hier entstehen mit ganz einfachen Mitteln und sehr viel Geduld nicht nur die auf dem Cover abgebildeten Skulpturen, sondern auch Schriftzüge und Figuren, die wie in die Seiten gemeißelt zu sein scheinen und ganz ohne Schere auskommen. Die Autorin beschreibt den von ihr entwickelten äußerst mühsamen Prozess vom Muster zur Faltvorlage, der über Millimeterpapier und seitenweises Übertragen der Faltpunkte führt. Wer diesen Prozess etwas abkürzen will, sucht im Internet nach Book Sculpture Software, mit deren Hilfe sich die Faltvorlagen wesentlich rascher erstellen lassen.

Für alle Kapitel gilt, dass die Anleitungen sehr übersichtlich gestaltet und klar geschrieben sind. Sie folgen alle einem erprobten Schema. Das beginnt mit einer Materialienliste, gefolgt von einer Schritt-für-Schritt Anleitung, die an komplizierteren Stellen mit Diagrammen und Skizzen verdeutlicht werden. Jedes Kapitel beginnt mit "Einsteigermodellen" und steigert sich dann bis zum maximalen Schwierigkeits- bzw. Geduldsgrad, der in Büchern angegeben wird. Dort, wo Platz bleibt, sind noch kurze Tipps aus der Praxis der Autorin eingestreut. 

Das Buch selbst ist aufwendig gestaltet, auf gutem Papier gedruckt und die zahlreich vorhandenen Fotos der Buchobjekte sind mehr als nur funktionale Illustrationen von Bastelanleitungen. Mit anderen Worten: es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis "Papier. Objekte aus alten Büchern" selbst zum Schneide- oder Faltobjekt wird.

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