Das Sterben der anderen


Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können
von Tanja Busse
Rezension von Katharina Ruech | 21. September 2019

Das Sterben der anderen

„Mama, was ist das für ein Geräusch?“ Journalistin Tanja Busse hat sich auf die Suche nach einer Antwort auf die Frage gemacht, warum ihr Sohn mit fünf Jahren zum ersten Mal Heuschrecken gehört hat. Sie gelangt zu der Erkenntnis, dass das Artensterben immer beängstigendere Ausmaße annimmt und forscht weiter nach den Ursachen und möglichen Lösungen. Was können wir tun, um die biologische Vielfalt noch zu retten?

Eine Million bedrohter Arten

Die Heuschrecken sind nur eines von vielen traurigen Beispielen für das Artensterben, auf das im Buch eingegangen wird. Wie drastisch die Anzahl der Insekten – und hier sprechen wir noch gar nicht von der Vielfalt – zurückgegangen ist, belegt eine Studie von Entomologen aus Krefeld. Sie haben festgestellt, dass die Biomasse von Fluginsekten in den letzten 27 Jahren um ganze 75% zurückgegangen ist. Da ist es nicht verwunderlich, dass ein fünfjähriger Naturfreund in Deutschland noch nie eine Heuschrecke gehört hat.
Doch nicht nur die Insekten sind vom Aussterben bedroht. Der Weltbiodiversitätsrat verkündete im Mai 2019 die erschreckende Zahl von einer Million bedrohter Arten. Wir befinden uns also mitten im sechsten Massensterben der Erdgeschichte. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir einen großen Teil der biologischen Vielfalt der Welt verlieren.
So weit, so besorgniserregend. Aber wo liegen die Gründe für das Artensterben und was wird (nicht) unternommen, um es aufzuhalten? Auch darauf sucht Tanja Busse in ihrem Buch Antworten und stößt dabei auf viele Widersprüche. Auf Blühstreifen an mit Pestiziden gespritzten Äckern, auf eine Landwirtschaftsministerin, die Bienen retten will und dennoch Insektizide genehmigt, und auf viele Gesetze, die nicht einhalten, was sie versprechen. Der Kern des Problems sind jedoch eine Wirtschaftsordnung und Politik, die das wirtschaftliche Wachstum über das Wohl der Natur und Menschen stellen.

Es geht um uns

Beim Lesen wird schnell klar, dass es beim Artensterben nicht nur um die Tiere, sondern ebenso um uns Menschen geht. Wir sind Teil der Natur, des Ökosystems. Es ist nicht möglich, ein Fädchen aus dem Netz des Lebens zu reißen, ohne das Netz als Ganzes zu gefährden. Tanja Busse spricht in diesem Zusammenhang auch von Verantwortungsnetzen und lässt verschiedene Verantwortungsträger, wie Landwirte, Politiker und Verbände zu Wort kommen.
Die Journalistin hat für „Das Sterben der anderen“ sehr gründlich recherchiert und eine Unmenge an interessanten Studien und Medienberichte zusammengetragen. Die Fülle an Informationen ist auf 416 Seiten dennoch kompakt und gut verständlich zusammengefasst. Das Buch ist wissenschaftlich fundiert, überfordert den Leser jedoch nicht mit komplexen fachlichen Abhandlungen. Es ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und die Autorin nimmt den Leser immer wieder auf ihre Exkursionen in Feld und Wald mit. Sie beschreibt auch, wie es ihr ergangen ist, als sie sich des Ausmaßes des Artensterbens im Laufe der Recherchen mehr und mehr bewusst wurde. Diese persönlichen Schilderungen machen das Buch authentisch und umso interessanter zu lesen.
Trotz der beängstigenden Entwicklungen gibt „Das Sterben der anderen“ einen positiven Ausblick. Es ist etwas in Bewegung geraten. Greta Thunberg, Fridays for Future, Extiniction Rebellion... um nur einige Schlagworte zu nennen. Auf der ganzen Welt finden sich Menschen zum gemeinsamen Widerstand zusammen, damit die Regierungen endlich handeln. Auch die Medien greifen die ökologische Krise immer öfter als Thema auf. Das ist unsere Chance die biologische Vielfalt zu retten. Denn es muss sich etwas ändern und zwar schnell.

Ein Buch, das definitiv wachrüttelt. Das Artensterben ist sicher kein Wohlfühlthema. Tanja Busse ist es dennoch gelungen, darüber ein spannendes und auch sehr persönliches Buch zu schreiben. Es schafft Bewusstsein für die große Wichtigkeit der biologischen Vielfalt und die dringend notwendigen Schutzmaßnahmen. Sonst wird das Sterben der anderen auch unser eigenes sein.

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