Ich glaub, mich trifft der Schlag


Warum das Gehirn tut, was es tun soll, oder manchmal auch nicht
von Ulrich Dirnagl, Jochen Müller
Rezension von Manfred Weiss | 13. Dezember 2016

Ich glaub, mich trifft der Schlag

Das Gehirn, die hochkomplexe Steuerzentrale unseres Körpers. Was passiert, wenn alles funktioniert? Vor allem aber, was passiert, wenn etwas plötzlich nicht mehr funktioniert, wenn irgendwo in der genialen Konstruktion etwas aus dem gewohnten Gleichgewicht gerät?
„Ich glaub mich trifft der Schlag“ ist ein Sachbuch zu einer Reise nach innen, ganz tief hinein in die Funktionsweise unseres Gehirns, jener faszinierenden und ungeheuer komplexen Masse unter unserer Schädeldecke.

Ulrich Dirnagl und Jochen Müller beschreiben darin das Gehirn sowohl in seiner generellen Funktion als eben auch in seinen Fehlfunktionen. Wobei der Schwerpunkt auf den Fehlfunktionen liegt, da gerade die viel zum Verständnis der Funktion selbst beitragen können.
Die beschriebenen Fehlfunktionen gehen vom Kopfschmerz bis hin zu Multipler Sklerose, Epilepsie oder der Parkinson‘schen Krankheit. Wie schon der Titel des Buches sagt, liegt ein weiterer Schwerpunkt beim Schlaganfall, aber auch Demenz und Alzheimer werden ausführlich dargestellt und erklärt.
Es werden drüber hinaus noch so generelle Fragen erörtert wie „Warum haben wir eigentlich ein Gehirn?“ und „Kann das Gehirn Schmerz empfinden?“, „Wie wird es mit Energie versorgt?“ und „Was passiert, wenn der Energiefluss zum Gehirn unterbunden oder eingeschränkt wird?“.

Wie viele populärwissenschaftliche Bücher, die sich mit wissenschaftlichen Fachgebieten beschäftigen liegt auch bei „Ich glaub mich trifft der Schlag“ der Fokus auf Verständlichkeit für den Leser, der keine oder wenig medizinische Vorbildung mitbringt. Dazu nutzen Ulrich Dirnagl und Jochen Müller immer wieder den Vergleich mit einem Bürobetrieb. So sehr sie sich auch um Einfachheit und Bildhaftigkeit der Darstellung bemühen, bleibt das Buch aber trotzdem nicht einfach zu lesen, da um viele wissenschaftliche Begriffe trotz aller Bildlichkeit offenbar doch kein Weg herumführt.
Das Buch ist fallweise auch gruselig wie ein Schocker, wie etwa der Youtube-Verweis auf eine Gehirnfehlfunktion einer Reporterin während einer Live-Reportage eindrucksvoll zeigt. Das im Buch Beschriebene dann quasi real zu sehen ist erschreckend und, wie gesagt richtiggehend gruselig, und doch auch wieder sehr eindrucksvoll. Gerade mit solchen medienübergreifenden Beispielen, aber auch mit einzelnen Beschreibungen zu den Erkrankungen des Gehirns und seinen Auswirkungen wird das Buch teilweise spannender und erschreckender als viele Genre-Romane.
In den einzelnen Kapiteln wird auch auf Forschung und mögliche Therapien eingegangen. Gerade in diesen Teilen verlieren sich die Autoren aber in ihrem Bemühen um eine gewissenhafte und genaue Darstellung in Fachterminologie, die Lesen und Verständnis schwierig machen.
Das Buch ist mit cartoonartigen Zeichnungen illustriert, die den zur Darstellung der Zusammenhänge immer wieder erwähnten Bürobetrieb im Gehirn veranschaulichen. Eine gute Hilfe für das Verständnis und gleichzeitig Auflockerung des teilweise doch sehr komplexen Themas.
Die Autoren teilen ihren Stoff in den einzelnen Kapiteln auch immer wieder in kurze, durch Zwischenüberschriften geteilte Absätze. Das erhöht die Lesbarkeit, weil man sich so – das Ganze ist, wie gesagt keine einfache Materie – immer wieder von Überschrift zu Überschrift hanteln kann. Damit findet man, wenn das gerade Gelesene zu komplex war, rasch wieder einen Ansatzpunkt wo man mit dem neuerlichen Lesen starten kann. Eine gute Hilfe um sich in der teilweise hochspezialisierten Thematik nicht völlig zu verlieren.

„Ich glaub mich trifft der Schlag“ ist ein Buch für alle, die in halbwegs einfacher Darstellung mehr über die Funktion und vor allem über die potentiellen Fehlfunktionen des Gehirns erfahren möchten. Trotz aller versuchter Einfachheit der Darstellung ist es aber kein leicht zu lesendes Buch und braucht viel Aufmerksamkeit bei der Lektüre. Vieles wird zwei- oder mehrfaches Lesen erforderlich machen, was aber nicht schlimm ist, da das Thema ungeheuer spannend ist. Gepaart natürlich auch mit dem Schrecken, der letztlich mit jeder potentiellen Fehlfunktion des Gehirns verbunden ist.
Ein aufrüttelndes Buch, das einen trotz aller Wissenschaftlichkeit nachdenken macht.

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