Go raw - be alive!

von Boris Lauser
Rezension von Elisabeth Binder | 20. Februar 2015

Go raw - be alive!

Lustloses Kauen am Rohkostsalat war gestern, Raw ist heute und angesagt. Das Buch von Boris Lauser reiht sich in eine bereits lange Liste von ähnlichen Kochratgebern ein. Die Bewegung für die neue Art der Rohkost hat ihren Ausgang - und das überrascht jetzt nicht - in den USA genommen und breitet sich seit ca. 10 Jahren langsam und in den letzten Jahren in schnellerem Tempo aus.

Lauser verspricht mehr als nur Rezepte, nämlich "schlank, fit & happy mit Rohkost" zu sein. Er selbst scheint der beste Beweis für die positive Wirkung der Rohkost zu sein: Er sieht tatsächlich um einiges jünger aus, als es sein Alter vermuten lässt. Wie geht nun diese magische Verjüngung vor sich? Verzichtet man auf industriell gefertigte Lebensmittel, hält sich an die Mengenverhältnisse der Raw Lebensmittelpyramide, vermeidet eine Erhitzung der Zutaten über 42 Grad (interessanterweise ist das auch die Raumtemperatur beim derzeit sehr populären Bikram Yoga... und natürlich die Antwort auf DIE Frage), isst daher nur solche Lebensmittel, die in diesem Zustand genießbar sind und reduziert zwangsläufig die Kalorienzufuhr, dann startet der Verjüngungsprozess automatisch.
Vitamine, Minerale und Enzyme können, so Lauser, dann ihre volle Wirkung entfalten. Völlig ironiefrei gibt es da folgenden Vorteil von Rohkost zu lesen: "Auch Schlafprobleme können sich verbessern, viele kommen mit weniger Schlaf aus." Dass es für die angeführten Vorteilen der Rohkost keinen Rückhalt durch wissenschaftliche Forschungsergebnisse gibt, stört Lauser wenig - für ihn zählt die eigene Erfahrung und die Erfahrungsberichte der vielfach Bekehrten. An dieser Stelle verzichtet die Rezensentin auf einen Exkurs über das Thema Korrelation und Kausation, schließlich handelt es sich hier um ein Kochbuch.

Der einführende Teil des Buchs wendet sich an LeserInnen, die ihre Ernährung teilweise oder vollständig auf Raw umstellen wollen. Lauser gibt ausführlich Auskunft über die Auswahl an Lebensmitteln, über die diversen Verarbeitungstechniken und die benötigten Werkzeuge.
Spätestens an dieser Stelle sollte man sich überlegen, wie ernst man es mit der Rohkost meint. Ein Lokalaugenschein bei der Wiener Kochmesse Cook & Look, die sich in der 2015er Ausgabe ausführlich dem Thema Raw widmete, bestätigte den ersten Eindruck des Buchs: Meint man es ernst mit Raw, dann sind Einstiegsinvestitionen möglich, die dem Gegenwert eines gebrauchten Kleinwagens entsprechen. Bei Standmixern, Saftpressen, Dörrautomaten und Spiralschneidern gibt es fast keine Grenzen nach oben.
Obwohl Raw nicht unbedingt fleischlos oder vegan bedeutet (Stichwort: Sashimi), präsentiet Lauser bewusst nur vegane Rezepte. In der Versuchsküche habe ich nur solche Rezepte probiert, die mit dem vorhandenen Maschinenpark (Standmixer, Pürierstab) zu bewerkstelligen waren. Für das Dörren im Backofen und zur Erzeugung von Sprossen fehlte mir zugegebenermaßen die Geduld. Die grünen Smoothies sind einfach gemacht und die Basisinformationen geben funktionierende Mengenverhältnisse vor, so dass der eigenen Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Geschmacklich war an diesen Smoothies auch nichts auszusetzen, auf jeden Fall eine schlaue Verwendungsmöglichkeit für schlapp gewordene Salatblätter. Einfach herzustellen sind auch die Nussmilchvarianten. Die schmecken dann auch besser, weil sie ohne die Zusatzstoffe auskommen, die in den handelsüblichen Produkten verwendet werden. Der Versuch mit der Schokocreme auf Avokadobasis war nicht so erfolgreich. Die Konsistenz war in Ordnung, der Geschmack hingegen nicht harmonisch.

Viele der Rezepte stellen das kulinarische Äquivalent zu Kettenbriefen dar. Der wunderschöne Cheesecake benötigt Buchweizen-Knusperkeimlinge, deren Zubereitung eine Vorlaufzeit von 3 Tagen beträgt (wenn mit dem Keimen und Sprossen alles gut geht...), erst dann beginnt die angegebene Zubereitungsdauer zu zählen. Eine herbe Enttäuschung.
Im Anschluss an die Rezepte befinden sich ein umfangreiches Glossar (Warenkunde) und zwei Register. Letztere sind allerdings nicht sehr viel informativer als das Inhaltsverzeichnis, eine versäumte Chance, das Buch praxistauglicher zu machen. Als Beispiel: beim Erzeugen von Nussmilch verbleibt Nusstrester als wieder verwertbares Restprodukt. Im Index sucht man danach vergeblich. Fazit: ein schön ausgestattetes Kochbuch mit Rezepten von eher geringer Alltagstauglichkeit und etwas zu viel Sendungsbewusstsein.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2015
  • Umfang:
    160 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3440143589
  • ISBN 13:
    9783440143582
  • Preis (D):
    19,99 €

Bewertung

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