Herzog & de Meuron Elbphilharmonie Hamburg

von Gerhard Mack, Herzog & de Meuron Basel Ltd. (Hrsg.)
Rezension von Michael Seirer | 09. Juni 2018

Herzog & de Meuron Elbphilharmonie Hamburg

Als kurz vor Weihnachten 2001 Jacques Herzog und Pierre de Meuron in ihrem Baseler Büro vom ehemaligen Studienkollegen Alexander Gérard und seiner Frau Jana Marko besucht wurden, konnte man noch nicht ahnen, welch bahnbrechendes Gebäude am Ende eines langen Projektes entstehen würde. Gérard schlug Herzog & de Meuron vor, auf Basis des alten Kaispeichers in Hamburg eine neue Konzerthalle zu errichten. Die darauf folgenden 15 Jahre stellten alle Beteiligten auf unzählige harte Proben. Aber es sollte sich lohnen: Am 4. November 2016 wurde die Plaza eröffnet und am 11. Dezember 2016 folgte dann das erste Konzert in der neuen Elbphilharmonie. Das begleitende Buch mit Texten von Gerhard Mack zeichnet die Geschichte des Entwurfes und des Baues mit Hilfe von Architekturfotografien, aber auch Skizzen, Modellen und Plänen im Detail nach.

Hamburg ist seit jeher vom Meer und der Außen- und Binnenalster geprägt. Der Kaispeicher, 1875 das größte Lagerhaus des Hamburger Hafens und schon von weitem vom Meer kommend sichtbar, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1963 bis 1966 vom Hamburger Architekten Werner Kallmorgen wieder neu aufgebaut. Bis in die 1990er Jahre wurde hier noch Tabak, Tee und Kakao gelagert.

2001 schlug der Immobilienentwickler Alexander Gérard zusammen mit seiner Frau Jana Marko vor, den Kaispeicher A zu einem Konzerthaus mit zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten wie einem Parkhaus, einem Hotel und Wohnungen umzubauen. Die Architekten Herzog & de Meuron wurden beim Entwurf von drei Quellen inspiriert: vom antiken Theater von Delphi, von der Architektur von Sportstadien und vom Zelt.

Sehr spannend ist die Darstellung der Entwicklung der Grundidee im Buch: Zwölf verschiedene Modelle veranschaulichen den Wandel der Ideen im Laufe der Zeit. Beginnend mit dem Unterbau und einem daneben gesetzten Turm, entwickelten sich beide Teile immer mehr zu einer Einheit und einem Aufbau. Zum massiven Ziegelunterbau kam ein gläserner Aufsatz, dessen Form und Lichtreflexionen an Wasser und Segel erinnern. Zwischen Kaispeicher und dem neuen Aufbau wurde ein offener Platz geplant, damit man Hamburg von dieser erhöhten Perspektive aus neu entdecken kann. Diese Plaza ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich und ohne Eintritt zu erreichen. Es bietet sich eine wunderbare 360° Aussicht auf die Stadt und den Hafen. Die Rolltreppe vom Boden zur Plaza ist über 80 Meter lang und gewölbt: Man kann zu Beginn also nicht sehen, wo man ankommen wird. Am Ende findet sich ein großes Panoramafenster, das den Hafen von Hamburg wie in einem Film präsentiert.

Auch die Konzeption des Großen Saales wird im Detail beschrieben. Akustiker Yasuhisa Toyota attestierte dem ersten Entwurf jedoch eine ungleichmäßige Verteilung des Klanges und damit Echokammern. Herzog & de Meuron setzten sich erneut an das Zeichenbrett. Der zweite Entwurf stellte neben exzellenten klanglichen Eigenschaften außerdem noch sicher, dass kein Besucher mehr als 30 Meter vom Dirigenten entfernt sitzt. Eine Eigenschaft, die in traditionellen Konstruktionsformen wie der Schuhschachtelform, die in Wien, Amsterdam, Basel oder Boston zu sehen und hören ist, nicht erreicht werden kann. Das Buch beschreibt viele weitere Teile des Gesamtprojektes (die Plaza, das Foyer, die Fassade, das Dach...) im Detail und zeigt anschaulich durch Fotos von Architekturmodellen oder Entwurfsskizzen, wie sich unterschiedliche Ideen im Lauf der Jahre veränderten. Auch die Orgel wird dabei hervorgehoben: Vom renommierten Orgelbauer Klais in Bonn produziert, ist die größte der knapp 5000 Pfeifen über 10 Meter lang und die kleinste 11 Millimeter. Das 25 Tonnen schwere Instrument ist dabei trotzdem optisch leichtgewichtig und wunderbar in die Architektur des Großen Saales eingebunden.

Neben detailreichen Plänen und Modellen findet sich am Beginn des Buches ein wunderbares Fotoessay von Joel Tettamanti mit einer klaren, strukturierten fotografischen Linie und zurückhaltender, entsättigter Architekturfotografie. Der Band liefert tiefe Einsichten in die Probleme und Lösungen, die bei einem solchen Jahrhundertprojekt naturgemäß auftreten. Nicht umsonst wurde das Budget um ein Vielfaches überschritten und auch die Eröffnung fand mit 8 Jahren Verspätung statt. Qualitativ hochwertige Architekturaufnahmen - vom fertigen Bau, aber auch Luftaufnahmen von der Baustelle oder Fotografien von Architekturmodellen runden das Buch ab.

Wer sich tiefer für die Elbphilharmonie und technische Details interessiert und mehr als nur ein paar hübsche Fotos davon sehen möchte, dem sei dieses wunderbare Buch ans Herz gelegt. Die aufwändige Zusammenstellung von Archivmaterial, Fotografien und Modellen zu vielfältigen Aspekten zeigen die erstaunliche Leistung, die bei Konstruktion und Bau dieses neuen Wahrzeichens von Hamburg vollbracht wurde.

Anmerkung: Es wurde die englische Version des Buchs rezensiert.

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