Wenn ich groß bin, fliege ich zu den Sternen

von Kathrin Aehnlich
Rezension von Janett Cernohuby | 07. März 2010

Wenn ich groß bin, fliege ich zu den Sternen

Über das Leben in der DDR gibt es zahlreiche Berichte und Sachbücher. Sie sind sich alle über eines einig: Leicht war das Leben während des DDR-Regimes bestimmt nicht und "Freiheit" war eigentlich nur der Name einer großen Tageszeitung. Die politische Erziehung begann bereits im Kindesalter; so sagen es die Fachleute. Doch wie empfand ein Kind das Leben in der DDR? Sah es in Pioniernachmittagen wirklich politische Erziehung oder waren diese Treffen für sie eher ein Zusammenkommen mit Klassenkammeraden? "Wenn ich groß bin, fliege ich zu den Sternen" ist die Geschichte eines neunjährigen Mädchens, welches im Leipzig der 1960iger aufwuchs und uns Einblick in sein tägliches Leben gewährt.

Dieses Leben als Einzelkind wird zwischen zwei Eltern und einer Tante gelebt, die nur nach außen hin hinter der "Sache" DDR stehen. Natürlich sagen sie ihre Meinung nie laut, wenngleich die Tante mit zunehmendem Alter kein Blatt mehr vor den Mund nimmt und Lieder singt, welche den Eltern sichtlich unangenehm sind. Denn die Eltern wollen stets das Beste für ihre Tochter. Sie solle es später einmal besser haben. Was das bedeutet, darüber kann die Protagonistin nur rätseln. Auf jeden Fall muss es etwas mit den blau-weißen Matrosenkleidern zu tun haben, die das Mädchen Jahr für Jahr geschenkt bekommt und aus denen herauszuwachsen scheinbar unmöglich ist. Obwohl Blau ja durchaus eine Farbe ist, die sie anspricht. Schließlich trägt sie mit Stolz das Halstuch eines Jungpioniers. Dass sie statt zu den Pioniernachmittagen in die Christenlehre muss, ist für die Protagonistin natürlich wenig erfreulich. Zumal ihre Fragen, wo Gott denn wohne und wie er denn aussehe, unbeantwortet bleiben. Mit größerer Begeisterung nimmt sie stattdessen am Kosmonautentraining im Pionierzentrum teil, schließlich will sie ihrer Heldin Walentina Tereschkowa nacheifern. Auf dem Weg zum Erwachsen werden gibt es aber noch jede Menge anderer Sachen, die es erst einmal zu bewältigen gilt. Einmal Gruppenratsvorsitzende werden, ein Vermögen auf der Rennbahn gewinnen, einen Einkauf im Intershop, weihnachtlichen Westpakete empfangen und natürlich die Jugendweihe. Jener Tag, an dem sie endlich vom Kreis der Kinder in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wird. Jener Tag, der ihr endlich genügend Geld für ein eigenes Kofferradio beschafft, mit dem sie dann die Sender hören kann, die sie will...

"Wenn ich groß bin, fliege ich zu den Sternen" ist ein unterhaltsamer und gleichzeitig ironischer Bericht eines ganz normalen Kindes der 1960iger Jahre der DDR. Scheinbar ungezwungen und leichtherzig erzählt Kathrin Aehnlich vom Heranwachsen in der einstigen Deutschen Demokratischen Republik. Man erhält einen kindlichen Blick auf Schnäppchen im Gemüsemarkt und Kaufhaus; zwischen den seltenen und begehrten Apfelsinen (Orangen) zur Weihnachtszeit und den immer etwas zu großen Schuhen und Kleidern. Dennoch können diese unbeschwert und leichthin geschriebenen Erinnerungen einer gewissen Ernsthaftigkeit nicht entbehren. Freilich ist diese versteckt, dennoch deutlich herauszulesen. Es ist ein feiner, aber äußerst treffender Blick auf verschiedene Ereignisse und Verhaltensweisen im Alltag der DDR-Bürger. Diese sind sehr geschickt in Wortspielen und Sprachhülsen versteckt, wenn die junge Protagonistin Phrasen ihrer Eltern, Lehrer und anderer Erwachsener wieder gibt, ohne deren eigentlich Bedeutung zu dem Zeitpunkt zu erfassen. Genau das ist es auch, was dieses Buch so lesenswert macht. Nicht selten muss man als ehemaliger DDR-Bürger über die eine oder andere Begebenheit schmunzeln, weckt sie doch Erinnerungen. Doch nicht nur das. Man erkennt seine Kindheit in der jungen Protagonistin wieder, ganz gleich ob man erst in den 1980igern aufgewachsen ist. Denn so manches hat sich nicht verändert, so viele Erlebnisse hat ein jeder Pionier und Schüler gleich welchen Geburtsjahres doch auch selbst erlebt.

"Wenn ich groß bin, fliege ich zu den Sternen" von Kathrin Aehnlich ist ein unterhaltsamer Roman, der gleichzeitig ein Zeugnis für eine vergangenen Zeit und eine gescheiterte Gesellschaft darstellt. Erzählt aus dem naiven Augen eines heranwachsenden Kindes, unterhält das Buch vorrangig, gibt aber auch gleichzeitig einen kritischen Einblick in das Leben in der DDR. Daher kann das Buch nicht nur Ossis und Wessis empfohlen werden, sondern allen, die sich für die Zeitperiode Deutschlands interessieren.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    10/2009
  • Umfang:
    159 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783492254601
  • Preis (D):
    7,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
    Keine Bewertung
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung
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