Cari Mora

von Thomas Harris
Rezension von Stefan Cernohuby | 17. Juni 2019

Cari Mora

Manche Autoren schreiben wie am Fließband. Von anderen erscheint nur sehr selten ein neues Werk und sie verfassen in ihrem ganzen Leben gerade mal ein halbes Dutzend Romane. Ein Bestsellerautor, der definitiv in die zweite Kategorie fällt, ist der in Mississippi geborene Thomas Harris, bekannt für seine vier Romane über Hannibal Lecter. Daher ist sein erster Roman nach mittlerweile 13 Jahren für alle Fans gewissermaßen Pflicht. Aber ob dieser überzeugen kann?

Cari Mora ist eine 25 Jahre alte Frau, mit einer Menge Vergangenheit für ihre jungen Jahre. Sie schlägt sich in Miami hauptsächlich als Haussitterin durch, nimmt Gelegenheitsarbeiten an und versucht durch ihre Beschäftigungsverhältnisse immer wieder zu verhindern, dass man sie als gebürtige Kolumbianerin abschiebt. Aktuell ist sie für die ehemalige Villa von Pablo Escobar verantwortlich. Dort möchte sich allerdings gerade eine Gruppe an Leuten einquartieren, die ihr zutiefst zuwider sind. Angeführt von einem Hans-Peter Schneider wirken die Gäste wie Gangster. Und das ist tatsächlich der Fall. Denn bei Schneider handelt es sich nicht nur um einen Einbrecher, sondern auch um einen Organhändler, Sadisten und Frauenmörder. Schon beim ersten Aufeinandertreffen stirbt ein guter Freund von Cari. Doch obwohl eine Spezialeinheit interveniert, entkommt Schneider. Und jener Hans-Peter Schneider ist von Cari Mora besessen. Er will sie für sich und seinen Spaß mit ihr haben. Mitsamt Kabelbindern und Säure.

Wenn man alle Romane eines Autors kennt und jeder seine Qualitäten hatte, geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung an ein neues Werk heran. Und natürlich ist man insgeheim darauf vorbereitet, dass nicht jeder Roman ein Meisterwerk sein kann. Doch vergleicht man „Cari Mora“ mit jedem beliebigen anderen Roman von Thomas Harris, fragt man sich trotzdem insgeheim, was da schief gegangen ist. Ja, auch in diesem Roman gibt es einen beinahe unaufhaltsamen Serienmörder. Ja, auch hier wird beiläufig mal eine menschliche Niere verspeist. Aber ansonsten fühlt man sich richtiggehend vor den Kopf gestoßen. Kein Hannibal Lecter, stattdessen gibt es einen Hans-Peter Schneider. Dieser besitzt weder Charisma noch Genialität. Der Charakter von Cari Mora wäre zwar interessant, erweist sich mit Fortlauf der Handlung jedoch als Mary Sue, egal ob es um professionellen oder improvisierten Waffeneinsatz, Zweikampf oder Entfesselungskünste geht. Was dem ganzen Buch und der Kritik darüber die Krone aufsetzt, ist jedoch der Umgang mit den Seiten. Man kauft ein 330 Seiten langes Buch, muss dann aber feststellen, dass „Cari Mora“ selbst nur etwa 276 Seiten hat und der Rest des Buchs aus einer Leseprobe von „Das Schweigen der Lämmer“ besteht. Eines über 30-jährigen Romans, der jedem Kenner der Werke von Thomas Harris ohnehin ein Begriff ist. Etwas, was das, was von einem anderen Autor ein durchschnittlicher Roman wäre, noch weiter entwertet – insbesondere, da das Werk von Thomas Harris stammt.

„Cari Mora“ ist nach 13 Jahre der erste Roman von Thomas Harris. Nach „Hannibal Rising“ gab es eine lange Pause, nach der man sich von seinem neuen Werk natürlich eine Menge erwartet. Leider wird jegliche Erwartung, die man als Leser haben könnte, bitter enttäuscht. Eine äußerst dünne Handlung, ein grotesker sadistischer Antagonist und eine Protagonistin, die letztendlich alles selbst in die Hand nimmt, können an keiner Stelle überzeugen. Die Tatsache, dass fast 60 Seiten des Buchs eine Leseprobe von „Das Schweigen der Lämmer“ darstellen, macht den Gesamteindruck leider nicht besser. Selbst Fans sollte man vom Kauf dieses Werks abraten.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Erschienen:
    05/2019
  • Umfang:
    336 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    16 Jahre
  • ISBN 13:
    9783453272385
  • Preis (D):
    22,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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