Schmiergeld

von Nausicaa Marbe
Rezension von Elisabeth Binder | 29. Oktober 2016

Schmiergeld

Es ist wohl der Frankfurter Buchmesse und der Auswahl der Niederlande und Flandern als Ehrengäste zu verdanken, dass ein Roman, der in seinem Heimatland schon mit einem Preis für den besten Thriller bedacht wurde, auch tatsächlich ins Deutsche übersetzt wird. Die Autorin, Nausicaa Marbe, stammt ursprünglich aus Rumänien und kam in dem frühen 1980er Jahren mit 18 in die Niederlande. Ihren Debütroman legte sie 1998 vor, davor und danach war sie als umtriebige Kolumnistin für einige der großen niederländischen Zeitungen bekannt. Es dauerte fast 16 Jahre bis sie ihren zweiten Roman ablieferte.

Die eigentliche Hauptrolle in „Schmiergeld“ spielt die Wirtschaftskrise von 2008, die auch in den Niederlanden für einige Risse in den Fassaden gutbürgerlicher Existenzen gesorgt hat. Einen Blick hinter diese Fassaden erhält man durch den Ich-Erzähler Job van Emmerik, ein Opfer der Krise und seiner eigenen Rechtschaffenheit, zumindest wie er es sieht. In den Zeiten des billigen Geldes konnte er sich über gut gefüllte Auftragsbücher freuen. Mit seiner Frau Gaby, einer Liebe auf den ersten Blick, und dem pubertieren Zwillingspärchen Leon und Tara lebt er in einem geräumigen Haus im beschaulichen Haarlem, einer Stadt mit 150.000 Einwohnern unweit von Amsterdam. Die Nachbarschaft funktioniert hier noch gut, man kennt sich, feiert gemeinsein, beobachtet sich und bleibt vor allem unter sich. Jeder hier hat ein bequemes Leben, aber ohne demonstrativ zur Schau getragenen Luxus. Die Wirtschaftskrise zerstört diese Idylle für die van Emmeriks nachhaltig. Das Architekturbüro geht pleite, Job arbeitet dann noch eine Zeit lang als Stadtbaumeister in seinem Beruf. Dort stolpert er über Unregelmäßigkeiten und wird von politischer Seite her kaltgestellt. Er steht also ohne Einkommen da und die gesamte Familie muss vom Ersparten leben. In dieser neuen Lebenssituation erhält das sonst so harmonische Familienleben die ersten Risse. Ehefrau Gaby stürzt sich mit ernstem Eifer aufs Sparen, Job selbst laboriert an den Ungerechtigkeiten, die ihm widerfahren sind und geht hauptberuflich mit dem Hund im nahen Stadtwald spazieren. Den Kindern bleiben unterschwellige Demütigungen in der Schule nicht erspart. Auch die netten Nachbarn treten nach anfänglicher Sympathie mit wenigen Ausnahmen den Rückzug an. Mitten in diesem Unglück holt Job die Vergangenheit ein und es stellt sich heraus, dass dieser deklarierte Familienmensch für sich selbst mit einer Selbstverständlichkeit einige Privilegien in Anspruch genommen hat, die ihn in einem nicht so guten Licht dastehen lassen. Ab hier beginnt dann der eigentliche Thriller, der an manchen Stellen etwas zu übermotiviert und überdeterminiert wirkt. „Fatal Attraction“ meets „The Godfather“.

„Schmiergeld“ ist auf alle Fälle weit mehr als ein handelsüblicher Thriller, in dem ordentlich geblutet oder gestorben wird. In einer Gesellschaft, in der materieller Wohlstand an oberster Stelle steht, ist der gesellschaftliche Tod fast ident mit dem echten. Der Sensenmann kommt in Gestalt eines unerbittlich-rationalen Bankberaters zu seinem Auftritt. Brillant ist in diesem Kontext die Schilderung der nachbarlichen Kieferorthopädien, den einzigen Krisengewinnlern in unmittelbarer Nähe. Denn: Wer in schweren Zeiten Arbeit finden will, muss schließlich mit einem perfekten Gebiss antreten, um seine Jobchancen zu erhöhen.

Nausicaa Marbe ist nicht nur eine äußerst umtriebige Kolumnistin zu tagespolitischen Themen, sie kann auch wirklich gute Bücher schreiben, allerdings viel zu selten. Mit „Schmiergeld“ ist ihr ein spannender, vielschichtiger und satirischer Kommentar über das gutbürgerliche Leben im Schatten der Wirtschaftskrise gelungen.

Details

Bewertung

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