Mein Gott, Wanda

von Ulrike Herwig
Rezension von Janett Cernohuby | 04. August 2012

Mein Gott, Wanda

Endlich im Ruhestand! Nun wird gelebt; nun tut man das, wozu man in all den Jahren zuvor nicht gekommen ist. Mit diesen Gedanken beginnen sicherlich viele ihren Lebensabend. Auf so manchem mag das auch zutreffen. Man unternimmt Reisen, beginnt Hobbys oder Sportarten für die man früher keine Zeit hatte. Andere wiederum können nicht von ihrer gewohnten Arbeit lassen und betätigen sich in einem ähnlichen Bereich weiter. So auch Wanda, die Protagonistin des Romans "Mein Gott, Wanda". Sie zählt in gewisser Weise zu beiden Gruppen. Wanda sucht nach neuen Herausforderungen und findet diese dann eher unfreiwillig aufgrund eines Sportunfalls ihres Sohnes.

Im Alter von 63 Jahren beschließt Wanda ihren Teeladen zu verkaufen und ganz neu durchzustarten. Womit weiß sie aber noch nicht, als sie eines Tages von einem ihrer früheren Kunden zu einer Australienreise eingeladen wird. Sofort ist die rüstige Rentnerin Feuer und Flamme und beginnt mit den Vorbereitungen für ihre Reise. Doch dann soll alles anders kommen. Sie erhält einen Anruf von ihrem Sohn, der sich beim Snowboarden in den bayrischen Alpen einen schweren Beinbruch zugezogen hat. Nun bittet er seine Mutter für ihn einzuspringen und während der nächsten Monate seine Fitnessstudio Herkules - die eigentlich eher eine Muckibude ist - zu führen. Eigentlich braucht sie in der Früh nur aufzusperren und Abends abzuschließen. Um den Rest kümmert sich dann sein Kumpel Enrico. Die Australienreise muss warten, ihr Sohn geht schließlich vor. Doch dann kommt alles ganz anders. Besagter Enrico ist verschwunden, die Muckibude ist ein heruntergekommenes Loch. Briefe, Rechnungen und Mahnungen stapeln sich ins Unendliche, im Hof tummeln sich gefährliche Rocker (bei denen es sich laut Wanda um Mitglieder der Hells Angels handelt) und Geld fließt schon seit Monaten nicht mehr ins Herkules. Wanda beschließt, dass es so nicht weitergehen kann. Zusammen mit ihren zwei Freundinnen krempelt sie das Herkules komplett um. Es werden Putzlappen geschwungen, Streuselkuchen gebacken, Tees aufgebrüht, Mitglieder zum zahlen des Beitrags angehalten und natürlich wird nach einem Konzept gesucht, wie man die Zeiten sinnvoll nutzen kann, in denen das Herkules nicht besucht wird. Letzteres bringt Wanda auf eine ganz besondere Idee. Sie lädt Rentner - äh Senioren wie ihre Freundinnen zu belehren wissen - zu einem Schnuppertraining ein. Und tatsächlich findet das Herkules schon bald neue Mitglieder. Doch Wanda gelingt noch etwas ganz anderes. Sie schafft es nicht nur die Schulden zu tilgen und wieder Geld ins Herkules zu holen, ihr gelingt es auch, aus unverschämten Muskelprotzen nette Trainingspartner für Senioren zu machen. Plötzlich findet sich im Herkules ein aus allen Altersgruppen vertretenes Publikum wieder. Doch wie wird Wandas Sohn auf die Änderungen reagieren?

Ein wenig fühlte sich die Verfasserin der Rezension beim Lesen in ihre Zeit bei der Bauchtanzgruppe Oriental Butterflys (die Schreibweise ist kein Fehler sondern so gewünscht) zurückversetzt. Warum? Nun, die Tanzlehrerin hatte im Alter von 63 Jahren ihre Modeboutique verkauft und war mehr oder weniger im Ruhestand. Weniger deshalb, weil sie auch weiterhin in einem Fitnessclub den Orientalischen Tanz unterrichtete, neben dem regulären Unterricht Workshops gab, Auftritte organisierte und auch den einen oder anderen Kurzurlaub mit der Gruppe unternahm. Wir, das war eine Gruppe Frauen, die eine Altersspanne von Abiturientinnen bis Seniorinnen umfasste. Auch unsere Tanzlehrerin hatte zahlreiche Verehrer und war auch sonst sehr aktiv und lebenslustig.
Und Wanda? Tja, sie ist nicht ganz wie die Tanzlehrerin, aber dennoch nah dran. Denn ihr Rentnerdasein hat sie sich irgendwie anders vorgestellt - aufregender. Und als dann die Bitte ihres Sohnes kommt, das Fitnessstudio - oder besser gesagt die Muckibude - für eine Weile zu übernehmen, bringt genau das die Abwechslung, die sie gesucht hat. Auch wenn Wanda das zu Beginn natürlich nicht weiß. Denn es braucht seine Zeit, sich in diese seltsame Umgebung einzugewöhnen. Schulden müssen getilgt, die Leerzeiten, in denen niemand zum Training kommt, überbrückt werden. Und letztendlich gelingt es Wanda sogar, Jung und Alt unter einen Hut zu bringen. Jung hilft Alt und umgekehrt.
Das alles stelle man sich nun verpackt in einem humorvollen und sehr unterhaltsamen Roman aus der Feder von Ulrike Herwig vor. Der Lesespaß ist von Anfang an gegeben - allerspätestens ab der Stelle, als Wanda zum ersten Mal das Herkules aufsperren muss. Man fühlt mit der alten Dame mit, bedauert sie in ihrer Hilflosigkeit den Muskelpaketen gegenüber, schmunzelt über ihre Mutmaßungen zu Anabolika und den Hells Angels und lacht herzhaft, als sie sich in das Abenteuer "Sanierung des Herkules" stürzt. Bei all dem Lesevergnügen merkt nimmt man plötzlich mit Erschrecken wahr, dass man sich dem Ende nähert. Und dieses ist jedoch nicht - wie es leider oft in diesem Genre vorkommt - kitschig oder überzogen. Vielmehr schuf die Autorin einen glaubwürdigen und gelungenen Ausstieg, der beim Leser am Ende ein gutes Gefühl zurücklässt.

Kurz gefasst ist "Mein Gott, Wanda" ein sehr unterhaltsamer und lustiger Roman aus der Feder Ulrike Herwigs. Allen Lesern, die keine Krimis, historischen Romane oder andere Genres mehr lesen wollen, kann dieses Buch nur empfohlen werden. Es unterhält auf lustige Art, ohne jedoch zu übertrieben oder kitschig zu wirken. Und es bietet für alle Altersgruppen etwas - von Jung bis Alt.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2012
  • Umfang:
    272 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783547711844
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
    Keine Bewertung
  • Gefühl:
    Keine Bewertung
  • Erotik:
    Keine Bewertung

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