Ein Fall für Max Liebermann

Kopflos

von Frank Tallis
Rezension von Janett Cernohuby | 17. Februar 2010

Kopflos

Seit jeher hatten es Juden nicht leicht. Schon immer wurden sie als Grund für alles Übel bezeichnet und dementsprechend verfolgt. Doch die wohl bekannteste Judenverfolgung fand im ersten Teil des 20. Jahrhunderts statt. So ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass der britische Autor Frank Tallis in seinem vierten Max Liebermann-Roman "Kopflos" dieses Thema aufgreift.

Früh am Morgen ruft Inspektor Reinhardt seinen Freund Max Liebermann zu einem Tatort in Wiens Josefstadt. Dort wurde die bestialisch zugerichtete Leiche eines Mönches gefunden. Dieser wurde von seinem Peiniger nicht nur ermordet, sondern sein Kopf wurde regelrecht vom Rumpf gerissen. Sowohl dem Inspektor als auch dem jungen Psychoanalytiker ist klar, dass diese Tat eine große Kraftanstrengung erforderte. Nicht lange darauf geschieht ein weiterer Mord, bei dem erneut dem Opfer der Kopf vom Hals gerissen wurde.
Doch während Max Liebermann versucht, seinem Freund bei der Untersuchung der Mordfälle zu helfen, geschehen auch in seinem persönlichen Umfeld Ereignisse, die weitreiche Folgen haben können. Denn nachdem Liebermann im Allgemeinen Krankenhaus zu einem sterbenden Patienten gerufen wird, kommt es zum Eklat. Max Liebermann verweigert dem Pater, dem Sterbenden die letzten Sakramente zu erteilen. Dies tut er jedoch aus Rücksicht auf den schwachen Zustand des Patienten. Dieser Umstand kommt natürlich einigen Politikern sehr gelegen, da ihnen die Juden schon lange ein Dorn im Auge sind und sie gerne aus sämtlichen Ämtern enthoben sehen. Auf Anraten seines Freundes Reinhardt verlässt Liebermann für einige Zeit Wien und reist nach Prag. Dort wandert er auf den Spuren seiner Vorfahren und findet dabei auch einige Interessante Hinweise auf die grausamen Morde in Wien. Zurück in seiner Heimatstadt unterrichtet er Inspektor Reinhardt sofort über die Erkenntnisse und begibt sich damit gleichzeitig in Lebensgefahr...

"Kopflos", der vierte Fall von Max Liebermann, ist ein Kriminalroman, der vielleicht Lesern kurzweiliger Literatur nicht gefallen wird, jedoch dennoch Lesevergnügen bereithält. Besonders all jenen, die gerne in das Wien des frühen 20. Jahrhunderts eintauchen und die Menschen jener Epoche kennen lernen wollen. Und jenes Wien lässt der britische Autor Frank Tallis wieder lebendig werden. Sehr gut recherchiert, wandern seine Figuren durch die Straßen Wiens und auch durch unterschiedliche Stände. Man lernt die besser situierten Menschen ebenso kennen, wie die Schwachen und Armen. Man begleitet Liebermann zu Vorträgen Sigmund Freuds und schaut zwei wohlhabenden Damen bei der Eröffnung einer Wärmestube über die Schulter. Der Roman vereint also zahlreiche Handlungsstränge in sich, die nicht alle, aber dennoch größtenteils, am Ende ein einheitliches Gesamtbild ergeben. Gerade dadurch wird der Roman für jene Leser interessant, die sich zwar nicht für Krimis erwärmen können, aber gerne in das historische Wien eintauchen möchten. Es ist aber auch diese Mischung, welche die Handlung letztendlich bis zum Schluss nicht vorhersehbar werden lässt. Zwar wird man durchaus an dem einen oder anderen Punkt beginnen, erste Mutmaßungen über den oder die Täter aufzustellen, aber trotzdem wird man am Ende des Werkes mit einem anderen Ausgang der Ereignisse überrascht werden.
Wie bereits erwähnt, steht weniger die Unterhaltung durch Kriminalelemente im Vordergrund, als das historische Wien des frühen 20. Jahrhunderts. Daher ist so manche Passage auch politisch geraten, besonders wenn es um die Ausgrenzung der Juden geht. Dies zeigt auch das Komplott gegen Max Liebermann, dessen Verhalten einigen Stadträten gerade recht kam, um einen alten Judenhass wieder zu schüren. Doch so viel kann man verraten, dass sie sich hier den falschen ausgesucht haben und Liebermann letztendlich mit einem blauen Auge davon kommt.

Somit reiht sich "Kopflos", der vierte Roman mit Max Liebermann, nahtlos in die Liebermann-Serie ein. Freunde des jungen Psychoanalytikers werden auch diesen Fall mit großer Begeisterung verschlingen und einmal mehr in das Wien vergangener Zeiten eintauchen. Krimifreunde könnten hier allerdings auf eine für sie schwer verdauliche Kost stoßen.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
    Keine Bewertung
  • Erotik:
    Keine Bewertung

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