Judaswiege

von Ben Berkeley
Rezension von Stefan Cernohuby | 22. Januar 2012

Judaswiege

Heutzutage werden viele Begriffe verwendet, von denen man nicht weiß, woher sie kommen. Manche sollen aus dunkler Vergangenheit stammen, dabei gibt es aber relativ oft keinen wirklichen Beleg. So ist es auch mit dem Wort "Judaswiege", das angeblich ein mittelalterliches Folterinstrument bezeichnen soll, bei dem das Opfer gepfählt wird. Obwohl die tatsächliche Existenz im Mittelalter nicht eindeutig historisch belegt ist, hat der Erstlingsroman von Ben Berkeley denselben Namen.

Mitten im Urlaub auf Maui verschwindet Jessica spurlos. Nur ihr ausgebrannter Wagen wird gefunden. Eine Begebenheit, die niemand mit kürzlich aufgetreten Mordfällen in Verbindung bringen würde, wäre da nicht ein findiger junger IT-Experte mit einem experimentellen Suchprogramm für Vermisste im Internet. Special Agent Sam Burke nimmt die Jagd auf, muss sich dabei aber mit seiner Ex-Partnerin im persönlichen wie beruflichen Sinne auseinandersetzen. Die eigentlich unter Hausarrest stehende ehemalige Ermittlerin, die gleichzeitig für ihre illegalen Einbruchstouren hinter Gitter gewandert ist, wird von der Anwaltslegende Godfrey Stein von ihren Auflagen befreit. Letzterer benötigt ihre Dienste, ist er doch persönlich in die Angelegenheit involviert, da Jessicas Witwer sein bester Freund ist. Durch eine Mixtur aus legalen und illegalen Ermittlungsmethoden kann der Serienmörder langsam eingekreist werden, denn er hat nicht nur Fotos seiner Verbrechen ins Internet gestellt, sondern auch Kurzfilme, die in der SM-Szene unter dem Namen "Gother-Tapes" großen Anklang gefunden haben. Kein Wunder, weiß doch niemand, dass es sich keineswegs um gestellte Filmsequenzen, sondern tatsächliche Folterszenen handelt, bei denen eine Judaswiege zum Einsatz kommt. Nach einem Einbruch bei der Aufdeckplattform "Truthleaks", der Infiltration eines SM-Forums, der Erstellung eines perfekten psychologischen Täterprofils und etlichen riskanten Aktionen geraten zu guter Letzt noch Sams Ex-Kollegin Klara "Sissi" Swell und Steins Assistentin Pia Lindt in Gefahr. Können alle dem Mörder unbeschadet entkommen?

Liest man diese Inhaltsangabe, kann man eines mit Bestimmtheit sagen: Das klingt nach einer Menge Action. Ist es auch. Dennoch muss man einige Details aufarbeiten, beziehungsweise klarstellen. Auch wenn alles nach dem Romandebüt eines amerikanischen Autors klingt ist das nicht ganz der Fall. Hinter Ben Berkeley steckt der Sohn von deutschen Auswanderern, der den Roman auch in Deutsch verfasst hat. Dann wird der Begriff Judaswiege, hinter dem einige halb-phantastische Schilderungen in fragwürdigen Aufzeichnungen stecken, einerseits sofort als existent angenommen, andererseits mit "einfachem" Pfählen assoziiert. Das tut allerdings der grusligen Wirkung der Folter keinen Abbruch. Doch da gibt es auch noch einen stilistischen Zug des Autors, der nicht jedem Leser zusagen wird. Zwar gehört es durchaus zum guten Ton, Kapitel mit Cliffhangern enden zu lassen, Ben Berkeley schießt hier aber im mehreren Kapiteln übers Ziel hinaus. Irgendwann wird es einfach ärgerlich, wenn man mitten in einer Szene abbricht oder liest "Dann sagte er es ihm, worum es ging." Von den Kritikpunkten aber einmal abgesehen bietet "Judaswiege" spannende Unterhaltung mit amüsanten Charakteren, einer ordentlichen Portion Herzschmerz und einigem Gruselfaktor. Es handelt sich um einen klassischen Roman, bei dem die Helden am Ende die Frauen bekommen, die sie wollen (und umgekehrt) und das Böse seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Jeder, der sich gut unterhalten lassen möchte, Krimis und Thriller mag und nicht allzu hohen Anspruch erwartet, kann hier gerne zugreifen.

Ben Berkeleys Romanerstling "Judaswiege" mag zwar nicht in allen Belangen historisch korrekt sein oder ein wenig irreführend angepriesen werden, spannend ist das Werk allerdings auf jeden Fall. Wer nach Unterhaltung sucht, die den Leser anspruchsmäßig nicht überfordert und die mit etlichen Anspielungen auf Film, Fernsehen und Internet versetzt ist, ist mit dem Buch keinesfalls falsch bedient.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    12/2011
  • Umfang:
    448 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3492272916
  • ISBN 13:
    9783492272919
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung