Schandweib

von Claudia Weiss
Rezension von Janett Cernohuby | 03. März 2014

Schandweib

Das Tragen von Hosen ist für Frauen heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Ebenso zieht man bedenkenlos auch mal einen Männerpullover an, wenn dieser einem gefällt. Keiner würde einen dafür tadeln oder gar bestrafen. Vor 300 Jahren sah das ganze jedoch anders aus. Da wurde das Tragen von Männerkleidung strafrechtlich verfolgt und geahndet. Claudia Weiss greift diese Elemente für ihren ersten Roman auf und erweitert sie um einige Details. Heraus kam dabei der historische Roman "Schandweib", welchen wir uns genauer angesehen haben.

Im Januar des Jahres 1701 wird auf dem Hamburger Schweinemarkt ein grausiger Fund gemacht. Auf einer Toilette wird ein kopfloser, nackter Frauenkörper gefunden. Ausgerechnet an dem Tag, an dem der junge Advocatus Hinrich Wrangel nach Hamburg kommt, um hier eine neue Stelle am Niedergericht anzutreten. Erste Untersuchungen führen zu nichts und so wird der Fall für einige Monate vergessen. Bis eines Tages ein seltsamer Fall vor das Niedergericht getragen wird. Eine Frau ist angeklagt, sich in Männerkleidung als Mann ausgegeben zu haben. Dem noch nicht schlimm genug, hat das Mannsweib eine Frau geehelicht und später sogar versucht, diese mit einem Messer aufzuschlitzen. Das erregt die Hamburger Bürger und so wird das Schandweib Ilse Bunk inhaftiert. Schon bald kommen weitere Anschuldigungen gegen sie vor und plötzlich glaubt jeder, die Mörderin jener kopflosen Frauenleiche gefunden zu haben. Anfangs bestreitet Bunk, doch plötzlich macht sie eine Aussage, wie sie schlimmer kaum sein könnte. Sie behauptet den Mord zusammen mit einem Hamburger Apotheker und dessen Magd begangen zu haben, um den Kopf zu medizinischen Zwecken verwenden zu können. So kommt neben unsittlichem Verhalten und Mord noch Hexerei ins Spiel. Wrangel, der mittlerweile zu Bunks Pflichtverteidiger ernannt wurde, weiß dass Bunks Aussage gelogen ist. Er will ihre Unschuld beweisen, hebt dabei aber ein Nest aus Lügen und Intrigen aus, welches für die Hansestadt weitreichende Folgen haben könnte...

"Schandweib" ist ein Titel der vermuten lässt, man hält mal wieder einen typischen historischen Frauenroman in den Händen. Eine starke Heldin, die gegen eine ungerechte und gemeine Männerwelt kämpft...
Aber dem ist nicht so. Ganz im Gegenteil. Vielmehr hält man hier einen historischen Roman in Händen, der gleichzeitig ein spannender Krimi ist. Kernpunkt des Romans ist die Gerichtsordnung im Hamburg des beginnenden 18. Jahrhunderts. Ein spannendes Thema, welches Leser rasch fesselt.
Hat man erst einmal den Prolog hinter sich gelassen, der auf das frühe Leben der Ilse Bunk eingeht, beginnt die eigentliche Handlung. Hauptfigur ist dabei der junge Advocatus Hinrich Wrangel. Er beginnt ein neues Leben in Hamburg, welches durch eine Pflichtverteidigung eine völlig überraschende Wendung nimmt. Wrangel ist kein Advocatus, der sich lediglich ein paar Protokolle und Aussagen durchliest, die bei einer peinlichen Befragung angefertigt wurden. Er hinterfragt, nutzt seinen gesunden Menschenverstand und geht Hinweisen nach.
Die Spannung baut sich langsam auf und spätestens gegen Mitte des Romans ist man so gefesselt, dass man nicht anders kann, als weiterzulesen. Zum einen da man wissen möchte, was nun hinter allem steckt, zum anderen, weil einen auch die Gepflogenheiten jener Zeit faszinieren.
Der Ausgang der Verhandlung und das Schicksal der Ilse Bunk wird einem schon sehr früh klar, auch wenn es immer wieder Momente gibt, in denen man glaubt, das Blatt wende sich doch noch. Viel spannender erscheint dem Leser da das, was er über jenes vergangene Gerichtswesen erfährt. Dass die Prozessordnung zu jener Zeit alles andere als fair war, dass deren Leitspruch nicht "im Zweifel für den Angeklagten" sondern "gegen den Angeklagten" lautete, wissen wir. Aber wie aberwitzig und ungerecht Verhandlungen wirklich waren, das wird einem erst beim Lesen dieses Romans klar. War man erst einmal in den Fängen dieser sogenannten Gerichtbarkeit, entkam man kaum mehr lebend. Aussagen die nicht zu den Ansichten der Richter passen, wurden in peinlichen Befragungen passend gemacht. Eine erbärmliche Verteidigung (wenngleich Wrangel hier im Vergleich zu seinen Kollegen sehr modern und fortschrittlich vorgeht) gipfelt in einer noch lächerlichen Gerichtsverhandlung.
Claudia Weiss zeichnet ein sehr lebendiges Bild Hamburgs um 1701. Doch nicht nur gesellschaftliche und strafrechtliche Gepflogenheiten spricht sie an, auch die politische Situation fließt in die Handlung mit ein. Auch bekommen die Ereignisse am Ende des Buches eine überraschende Wendung, die man zu Beginn so nicht erwartet hätte. Auf jeden Fall ist dies spannend und macht den Roman absolut lesenswert.

Zusammengefasst ist "Schandweib" ein historischer Roman, den man nur als gelungen bezeichnen kann. Man erhält einen Einblick in gerichtliche Gepflogenheiten zu Beginn des 18. Jahrhunderts, welcher ein erschreckendes Bild für uns Leser zeichnet. Verpackt ist alles in einer sehr spannenden und fesselnden Geschichte. Freunden historischer Literatur kann dieses Buch sehr empfohlen werden, da man hier wirklich alles findet, was das Leserherz begehrt: Fiktion und historische Fakten verschmolzen zu einer packenden Geschichte.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2014
  • Umfang:
    508 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783426512807
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
    Keine Bewertung
  • Erotik:
    Keine Bewertung