Die Farben des Feuers

von Pierre Lemaitre
Rezension von Manfred Weiss | 19. April 2019

Die Farben des Feuers

Wenn man in einem Moment alles hat und dann alles verliert, geschuldet dem Schicksal und auch der eigenen Naivität, ausgenutzt von Menschen, denen man vertraut hat, was bleibt dann anderes, als Resignation oder Aufbegehren und mit der Energie der Gedemütigten, Widerstand zu leisten?

Paris, 1927. Beim Begräbnis des Bankiers Marcel Pericourt stürzt sein siebenjähriger Enkel Paul aus einem Fenster im zweiten Stock und schlägt hart auf den zum Abtransport bereitstehenden Sarg. Unfall oder Absicht? Der Junge überlebt schwerverletzt. Seine Mutter Madeleine verliert in der Folge das beträchtliche Erbe aus den Augen und endet, abgefeimten Strategien falscher Freunde und Berater erliegend, rasch in nahezu vollständiger Mittellosigkeit. Als ihr die eigenen Fehler und die Täuschungen der Anderen klar werden ist es bereits zu spät. Neben der Sorge um den Sohn bleibt ihr nur noch das Sinnen auf Rache. Doch rund um sie ist Europa im Umbruch. Allein und fast mittellos macht sie sich an das aussichtslos scheinende Werk.

Dimensionen des Bösen

Pierre Lemaitre hat “Die Farben des Feuers” im Frankreich der zu Ende gehenden 20er und beginnenden 30er Jahre des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Der historische Hintergrund hat Bedeutung für die Handlung und manche Personen und Fakten sind auch lose an realen historischen Personen ausgerichtet. Doch die Historie selbst bleibt im Hintergrund und wird bestenfalls da und dort eine Randnotiz in der beinah biederen und überraschungsarmen Handlung eines Racheromans.
Frankreich und eine elaborierte Rache erinnern natürlich rasch an den “Graf von Monte Christo”, doch davon ist das Buch weit entfernt. Vieles in “Die Farben des Feuers” wirkt rasch und manchmal fast ungelenk zusammengefügt. Manche Handlungsstränge passen kaum zum Geschehen. Etwa die Leidenschaft des jungen Paul für Opern, Schallplatten und besonders die Opernsängerin Solange Gallinato und deren Begeisterung auch für ihn. Selbst der Hintergrund des Fenstersturzes von Paul, in all seiner Tragik bleibt letztlich beinah nur eine Fußnote der Handlung, die gemächlich und oft mit Wendungen fern aller Glaubwürdigkeit, dem im Zentrum stehenden Rachefeldzug Madeleines folgt.

Pfad zur Rache

Trotzdem ist das Buch durchaus fesselnd geschrieben, obwohl es schwer fällt zu irgendeiner der handelnden Personen Sympathie zu entwickeln. Am ehesten natürlich zu Paul, der ja noch ein Kind ist. Wie immer in ähnlichen Romanen gibt es selbstlose Helfer, sei es die polnische Pflegerin Vladi, sei es der immer hilfsbereite Monsieur Dupre. Ebenso gibt es reiche und mächtige Männer, die gierig sexueller Einfältigkeit erliegen. Natürlich auch dubiose Machenschaften der Banken und der sie leitenden Bankiers. Auch Schweizer Nummernkonten, Passfälscher und Auftragstäter dürfen nicht fehlen. Das Ganze dann noch ein wenig untermischt mit den politischen Gegebenheiten der Epoche. Ähnlich wie in manch trickvoll gemachten Filmen darf dann und wann auch der Auftritt der einen oder anderen historischen Figur nicht fehlen. Nur kurz, nur am Rande, aber doch um den Rahmen ein wenig klarer, die Dimensionen von Gut und Böse eindeutiger zu machen. Etwa wenn “Die Gallinato” ein Konzert im Berlin der Mitt-Dreißiger nutzt um Göbbels und andere Nazis zu düpieren.

“Die Farben des Feuers” ist ein Roman für alle, die leicht lesbare historische Romane mögen und im Sinne der Unterhaltung keinen besonderen Wert auf Glaubhaftigkeit der Handlung oder besonderen historischen Kontext legen. Gerade in Letzterem mag für manche andere aber auch seine größte Schwäche liegen.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Erotik:
    Keine Bewertung

Könnte Ihnen auch gefallen: