Die große Stille

Zerrissene Erde

von N. K. Jemisin
Rezension von Stefan Cernohuby | 21. September 2018

Zerrissene Erde

Man spricht oft von Grenzen, von enttäuschtem Vertrauen und von der Zerrissenheit von Völkern, die nicht wissen, wohin sie gehören. Selten ist damit aber gemeint, dass etwas buchstäblich zerrissen ist. So wie im mit dem Hugo-Award ausgezeichneten Roman „Zerrissene Erde“ von N. K. Jemisin. Denn hier betrifft die Zerreißprobe nicht unbedingt das Zusammenleben verschiedener Menschen, sondern den ganzen Planeten.

Essun macht sich auf den Weg, um ihren Mann zu finden. Denn nachdem dieser ihren Sohn getötet hat, ist er mit ihrer Tochter geflohen. Vor ihr liegt eine gefährliche Reise, die nicht ohne Komplikationen vonstattengehen wird. Denn sie hat alte Feinde. Syen hat mehrere Aufgaben. Einerseits soll sie den mächtigsten aller Orogonen auf einer Mission begleiten, andererseits soll sie von ihm schwanger werden und ein Kinder austragen. Beides wird von ihr und ihm als Pflichterfüllung erwartet, doch sowohl ihre Mission als auch das Kinderkriegen erweisen sich als ziemlich schwierig. Denn das Hafenbecken, das sie von Korallen säubern sollen, ist längst nicht alles, auf das sie stoßen. Damaya ist ein junges Mädchen, bei der sich gerade erste Anzeichen dafür gezeigt haben, dass sie mehr ist, als das Auge vermutet. Doch junge „Rogga“, wie man solche wie sie nennt, werden entweder von Wächtern zur Ausbildung ins Fulcrum gebracht, oder aber getötet.Diese drei Geschichten haben viel mehr gemeinsam, als man zu Beginn glauben möchte. Denn alle drei müssen sich mit jenen Fähigkeiten auseinandersetzen, die einen Ausgleich von Wärme und Kälte bewirken können. Kräften, die Erdbeben unterdrücken und Vulkane besänftigen, aber eben auch in der Lage sind, unglaubliche Zerstörungen anzurichten.

Das Werk, das 2016 mit dem renommierten Hugo-Award ausgestattet wurde, hat einige Überraschungen zu bieten. So stehen zahlreiche der Charaktere in einem Verhältnis zueinander, das man nicht gleich erahnt. Spannend wird eine Welt vorgestellt, in der zwar offensichtlich ganz andere Dinge wichtig sind als in unserer, im Verlauf der Handlung das typische Verhalten von Menschen jedoch wieder klarer zum Vorschein tritt. Das Einbringen von nichtmenschlichen Elementen im Buch passiert behutsam, über die Zeit. Aus Andeutungen werden Ahnungen, Beobachtungen und letztendlich Begegnungen. Auch in dieser Hinsicht ist der Aufbau des Werks sehr gut gelungen. Die Protagonisten scheinen in die Ereignisse hineinzutappen, ohne sich vorbereiten zu können, was sich letztendlich aber nicht für alle als wahr herausstellt. Und so hat auch das Ende des Werks für die Leser noch eine Überraschung parat. All dies zusammen ergibt einen Roman, den man als Liebhaber phantastischer Literatur unbedingt lesen sollte. Und insofern verheißungsvoll, da man mit kurzer Recherche herausfindet, dass die beiden Folgeromane der Reihe ebenfalls den Hugo- und der letzte Band sogar Locus- und Nebula-Award gewonnen hat.

„Zerrissene Erde“ ist ein beeindruckender erster Band einer Fantasy-Triloge von N. K. Jemison, die sich mit dem Werk auf neues Terrain vorgewagt hat. Mit ihrem Weltkonzept und der Anlage der Fähigkeiten der Protagonisten hat sie einerseits Schöpfungen anzubieten, über die man bisher noch nichts gelesen hat. Es ist kein Wunder, das dieser Roman und die beiden Folgewerke in den USA mehrere Literaturpreise gewonnen haben. Ein Buch, das in keiner gut sortierten Bibliothek fehlen sollte.

Details

Bewertung

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