Das ist unser Ernst!

von Martin Witzgall
Rezension von Stefan Cernohuby | 07. März 2010

Das ist unser Ernst!

Früher hat sich Frau Wurdack öfter einen Spaß mit ihrem Mann gemacht. Aus dem Spaß wurde Ernst und Ernst ist heute Verleger. Doch weit mehr als das. Er ist Graphiker, Lektor und der härteste Kritiker seiner Autoren. Um ihn für all seine Tätigkeiten, Bemühungen und Leiden entsprechend zu würdigen und dementsprechend auch etwas durch den Kakao zu ziehen, hat Martin Marty" Witzgall eine Anthologieidee umgesetzt, die sich einzig und allein einer Person widmet: Ernst Wurdack.

Man hat Ernst schon darüber informiert, dass es alles andere als eine gewöhnliche Veranstaltung sein soll, auf die er von den Theoretiker Schriftstellerischer Neutralität & Rhetorischer Erzählung" eingeladen wurde. Dennoch ist er mehr als überrascht darüber, dass er ein neues Werk vorstellen soll, von dem er selbst gar nichts weiß. Doch als er dieses Versäumnis nachholen will, wird er unversehens in das Buch hineingezogen und findet sich in Geschichten wieder, die ihm größtenteils bekannt vorkommen - kein Wunder, hat er sie doch selbst verlegt! So findet er sich mitten im Kampf mit einem Piratenschiff wieder, muss einer Dame, die ihm nach dem Leben trachtet ein Manuskript abschwatzen und die Rolle eines Monsters in einem Apfelbaum übernehmen. Da Ernst Wurdack quer durch die Genres Geschichten verlegt hat, landet er auch auf Raumschiffen, in Computerbildschirmen und etwas anzüglichen Geschichten. Immer dreht sich ein Teil der Erzählung um ein Buch, und jenes ist es, von dem er sich schließlich auch den Rückweg in die Realität verspricht. Zwerginnen schließen ihn kurz in ihr fürsorgliches Herz, Jugendliche missbrauchen seine Fähigkeiten als Grafiker und mehr als nur einmal muss er plötzlich boarisch reden. Schwer zu sagen, was ihn mehr mitnimmt. Immer wieder bekommt er seine eigenen Taten unter die Nase gerieben. Ob es sich dabei um seine Abneigung gegen zu viele Adjektive oder nackte Hintern handelt, die unangebrachte Verwendung von Großbuchstaben - mit allen wird er konfrontiert. Doch zum Glück weiß er, welche Geschichte ideal für den Abschluss geeignet ist, denn so kann er selbst auf ein "Happy End" hoffen.

Kann diese Anthologie ernst gemeint sein? Sie kann! Denn "Das ist unser Ernst!" lautet der Titel, der ja mehr oder weniger eindeutig aufgefasst werden kann. Aber hier stellt sich die Frage, kann ein Buch, das einem Verlagschef gewidmet ist und nur vor Insider-Schmähs strotzt, denn wirklich interessant sein? Die erste Zielgruppe sind sicherlich die Story-Olympioniken der vergangenen Jahre. Hier entdeckt der wissende Leser zahlreiche Gags, die mehr als nur ein wenig an die entsprechenden Geschichten erinnern. Martin Witzgall ist es gelungen, viele prominente frühere Teilnehmer und heutige Organisatoren des bekannten deutschen Autorenwettbewerbs für seine Anthologie zu gewinnen. Der einzige Wermutstropfen an dieser Stelle ist, dass man diese noch nicht im Inhaltsverzeichnis identifizieren kann, weil dort nur die Titel aufgelistet sind. Zu finden sind unter anderem Henry Bienek, Maike Schneider, Tatjana Stöckler, Jörg Olbrich, Armin Rößler, Heidrun Jänchen, Petra Hartmann, Susanne Schnitzler, Claudia Hornung, Oliver Hohlstein, Timo Bader und etliche mehr. Aber auch der Herausgeber kommt natürlich zu Wort. Für Insider ist der Band also bestimmt ein Muss. Doch nun stellt sich die Frage, kann das Werk auch Leser überzeugen, welche die Storyolympiade nur vom Hörensagen, Ernst Wurdack nur aus dem Internet und die Werke seines Verlags nur vom Cover kennen, überzeugen?
Überraschenderweise lautet die Antwort eindeutig ja. Denn der in diesem Buch skizzierte Ernst wird vom Regen in die Traufe geschickt, und das nicht nur einmal, sondern vielfach. Natürlich können nicht alle Kurzgeschichten restlos überzeugen - zumindest einige der "Kürzestgeschichten" lassen den uneingeweihten Leser ein wenig ratlos zurück. Doch insgesamt hat man einfach eine Menge Spaß beim Lesen der Erzählungen, selbst wenn man weder den Verleger, noch seine Werke kennt. Die Entscheidung des WortKuss Verlags dieses Buch zu verlegen kann also nur als völlig richtig bezeichnet werden. Das einzige Problem bei Gelegenheitskäufern könnte sein, dass diesen der Preis von 12,90 Euro für ein Buch von 127 Seiten doch etwas teuer erscheint.

Das ist unser Ernst!" ist tatsächlich eine Anthologie, die allerdings nicht ganz ernst zu nehmen ist. Die von Martin Witzgall hoch motivierten Autoren lassen ihren Lieblings-Ernst von einer Katastrophe in die nächste stolpern und präsentieren dabei größtenteils amüsante und unterhaltsame Geschichten. Hervorzuheben ist, dass das Buch trotz seines Themas keineswegs nur für Insider witzig ist. Letztlich bleibt nur die Frage, ob man das relativ schlanke Werk für einen doch relativ stattlichen Preis erwerben will. Denn es ist nicht für jeden sofort ersichtlich, dass es das Geld wert ist.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2010
  • Umfang:
    127 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3942026023
  • ISBN 13:
    9783942026024
  • Preis (D):
    12,9 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: