Bisswunden

von Greg Iles
Rezension von Janett Cernohuby | 24. Januar 2009

Bisswunden

Manchmal reicht der kleinste Hinweis - eine Geste, ein Gegenstand oder eine Begegnung - um eine Erinnerung zu wecken, die eigentlich schon verloren schien. Leider sind diese zwangsläufig nicht immer gut. Manchmal handelt es sich um unterdrückte Erinnerung, beispielsweise über schlechte Erfahrungen oder gar Gewaltanwendungen in frühester Kindheit.

Eine grausame Mordserie sucht New Orleans heim, bei der die Opfer durch Bisse bestialisch verstümmelt werden. Das FBI zieht bei seiner Suche nach dem Täter die forensische Odontologin Catherine Ferry zu Hilfe. Diese soll anhand der Bisswunden auf den Leichen einen Abdruck des Gebiss erstellen. Als Catherine erneut zu einem Tatort gerufen wird, bekommt sie beim Anblick der verstümmelten Leiche eine Panikattacke und bricht ohnmächtig zusammen. Schon seit längerer Zeit plagen die Odontologin Alpträume. In diesen Träumen wird sie immer wieder in ihre Zeit als Kind zurückversetzt, in die Nacht, in der ihr Vater von einem Einbrecher erschossen wurde. Catherine hat dieses Ereignis auch nach über 20 Jahren nicht verarbeitet. Noch immer zweifelt sie an den Erklärungen, die ihre Mutter und ihr Großvater ihr gegeben haben. Doch was haben die Geschehnisse vor über 20 Jahren mit der aktuellen Mordserien zu tun? Warum gerät Catherine beim Anblick der Ermordeten in derart panische Zustände und verliert das Bewusstsein? Besteht womöglich ein Zusammenhang zwischen dem Mord an ihrem Vater und denen von New Orleans? Catherine begibt sich auf eine gefährliche Suche und muss es dabei nicht nur mit einem Mörder, sondern auch ihrer eigenen erschütternden Vergangenheit aufnehmen.

Greg Iles greift in seinem Roman "Bisswunden" ein erschreckendes und erschütterndes Thema auf, welches an Brisanz nicht verloren hat. Es ist die bedrückende Geschichte einer Frau, die in frühester Kindheit von denen sexuell missbraucht wurde, die sie hätten schützen sollen. Auch wenn es sich nur um eine Erzählung oder einen Roman von einem möglichen Einzelschicksal handelt, ist das Buch doch gleichzeitig eine Dokumentation der vielen misshandelten Kinder und ein Appell gegen den Kindesmissbrauch.
Der Roman beginnt, wie jeder andere Thriller auch. Doch nach und nach wird der Leser mehr gefordert. Die Thematik des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist keine leicht zu verdauende Kost und stellenweise schon sehr aufreibend. Hier wird vom Autor viel Feingefühl für die Schilderungen und Erzählweise gefordert. Greg Iles versteht es, diese Schwierigkeit zu meistern und liefert einen ergreifenden und mitfühlenden Roman.
Um die Brutalität der Handlung zu unterstreichen, bedient sich Greg Iles zweier simpler, aber dennoch sehr effizienter stilistischer Mittel. Er schreibt die Geschichte in der Ich-Form und verwendet das Präsens als Erzählzeit. So hat der Leser das Gefühl, hautnah dabei zu sein, ja sogar selber in die Haut Catherines zu schlüpfen. Er spürt die Angst, den Schmerz, die Trauer ebenso wie die Protagonistin und fiebert mit, das dunkle Geheimnis der Vergangenheit zu lüften.
Und die Hauptperson hat es weiß Gott nicht leicht. Auch nach über 20 Jahren hat sie den gewaltsamen Tod ihres geliebten Vaters nicht verwunden. Sie flüchtet sich in die Alkoholsucht, ist manisch depressiv und sucht sich Partner, die meistens verheiratete Männer sind. Als schließlich die Panikattacken und Ohnmachtsanfälle hinzukommen, spürt Catherine, dass in ihrer Vergangenheit weit mehr geschehen sein muss, als sie sich im Augenblick erinnern kann. Warum musste ihr Vater damals sterben? Was ist in jener Nacht wirklich geschehen? Sind die damaligen Ereignisse der Grund, dass sie so ist, wie sie ist? Hinter Catherine liegt eine schwere Zeit, aber vor ihr eine noch schlimmere, an der sie fast zu zerbrechen droht. Doch zum Glück findet sie Hilfe und Unterstützung in einem alten Schulfreund.

Greg Iles liefert mit "Bisswunden" einen ebenso spannenden wie erschütternden Roman. Man sollte sich jedoch nicht vom Titel in die Irre führen lassen, denn der Handlungsstrang über die Mordopfer nimmt im gesamten Buch doch den kleineren Teil ein. Hier bewiesen die Übersetzer mal wieder ihr Nichtkönnen, indem sie aus "Blood Memory" "Bisswunden" machten. Trotzdem ist das Buch ein fesselnder Thriller, den ich an Leser mit guten Nerven wärmstens empfehlen kann.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2007
  • Umfang:
    684 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783404155767
  • Preis (D):
    9,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: