Gerd Scherm - Das Dan Brown-Syndrom

Beitrag von Stefan Cernohuby | 23. Mai 2009

Freimaurer. Kaum eine andere Bewegung oder Gesellschaft ruft in unserer Zeit im Fall einer Erwähnung so kontroverse Meinungen auf den Plan. Da sich verschiedene Bestsellerautoren - allen voran Dan Brown - im Pool der Verschwörungstheorien sehr gerne auch der Freimaurer bedienen, hat der fränkische Autor Gerd Scherm die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um einerseits Wissen oder Unwissenheit von Dan Brown und Konsorten näher zu beleuchten sowie andererseits Vorurteile, die es gegenüber der Freimaurer gibt, zu hinterfragen.

(c) Janett KrausAber zuerst zur Vorgeschichte. Dan Browns erster Roman „Illuminati“ dreht sich um die Hinterlassenschaften des so genannten Illuminatenordens, der 1776 in Ingolstadt gegründet wurde und etwas über zehn Jahre existierte. Es handelte sich dabei um eine relativ radikale Gruppierung, welche die vorherrschenden Gesellschaftsgefüge anzweifelte und verbessern wollte. Genau an jenem Ort, nämlich in Ingolstadt, fand nun der Vortrag statt - am gleichen Tag an dem auch „Illuminati“, die zweite Romanverfilmung von Dan Brown in den deutschen Kinos startete, nämlich am 13. Mai 2009.
Und - jetzt kommt der Clou - der Vortrag fand nirgendwo anders, als in der örtlichen Freimaurerloge „Theodor zur festen Burg“ im „Tor Heydeck“, einem Teil einer alten Befestigungsanlage statt.

Dort wurden die Gäste herzlich empfangen. Nach einer kurzen Begrüßung begann Gerd Scherm vor etwa 100 Gästen seinen Vortrag*. Doch dieser stützte sich nicht ausschließlich auf den berühmten amerikanischen Bestsellerautor. Gerd Scherm ging auch auf andere, ältere Verschwörungstheoretiker ein, die in den Freimaurern eine gefährliche und nach der Weltherrschaft greifende Organisation sahen. Er berichtete von Schmähschriften gegen die Freimaurer, welche angeblich düstere Rituale durchführten. Einer der wichtigsten Verfasser war Leo Taxil, dessen Schriften, ungeachtet dessen, dass sie von ihm selbst als unwahr bezeichnet wurden, noch immer von der Kirche herangezogen werden. So führte Gerd Scherm sein Publikum auf eine Reise durch die Zeit und riss thematisch ganz unterschiedliche Gegner der Freimaurer und ihre Vorwürfe an selbige an, natürlich aber nicht ohne wieder zum Hauptthema zurückzukommen: Dan Brown und seine Theorien.
(c) Janett KrausLaut diesen waren die Freimaurer unwissende Handlanger der sie infiltrierenden Illuminati.
Diesbezüglich wurde aber nicht nur auf Dan Browns Recherchemethoden eingegangen, sondern auch auf seine persönliche Einstellung im Bezug auf die Ausarbeitung von Verschwörungstheorien. Denn wenn man seinen Aussagen glauben darf, hat ihn selbst das „Baudolino“-Syndrom gepackt, nämlich die eigenen wilden Mutmaßungen und Erfindungen glaubwürdig zu finden.
Anschließend wird im Zuge der direkt Dan Brown gewidmeten Thematik noch auf mögliche Hintergründe der Verzögerung des aktuellen Romans eingegangen. Danach widmete sich Gerd Scherm noch Medien, in denen das Thema Freimaurerei etwas fragwürdig dargestellt wird, zum Beispiel in Hollywoodfilmen wie „From Hell“. Der Vortrag wurde mit einigen Fragen beendet, die - möglicherweise auch durch einschlägige Romane und Filme motiviert - bei den deutschen Freimaurer-FAQs eingegangen sind, welche Gerd Scherm unter anderem betreut, und die den Informationsstand so manches Freimaurerkenners illustrieren.
Ein Beispiel davon sei hier genannt:
1. Sind sie ein Freimaurer?
2. Wie oft opfern Sie pro Woche?
3. Glauben sie an Bestien, an den Teufel?
4. Wo kann man ihre schwarzen Messen besuchen?

Nach dem Vortrag und einer etwa fünfzehnminütigen Pause wurde eine Diskussion gestartet, bei welcher Fragen von Seiten des Publikums an den Vortragenden gerichtet werden konnten. Dabei wurden Fragen gestellt, die geradezu erstaunlich waren. Eine der harmlosesten beschäftigte sich mit Barack Obamas mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge, andere griffen uralte Verschwörungstheorien auf oder stellten die Rolle der Freimaurer (und Illuminati) als Auslöser der französischen Revolution zur Diskussion. Freimaurer während der NS-Zeit, der Wahrheitsgehalt verschiedener Bücher, die geheime Machenschaften aufdecken wollten oder einfach nur die Kommentare von einigen Zuhören, die beweisen wollten, dass sie Werke zum Thema Freimaurerei gelesen hatten - Themen gab es genug.

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Nebenbei hatte der Verfasser dieses Artikels noch die Gelegenheit, sich mit dem Autor Gerd Scherm persönlich zu unterhalten und einige interessante Punkte zu den Themen Schreiben, Lesen und Schriftstellerei zu diskutieren. Der Abend endete so wie er begonnen hatte, positiv und unterhaltsam, wobei Gerd Scherm zum Abschluss von der Loge einen ominösen Bierkrug, der das allsehende Auge enthielt, erhielt.

Abschließend könnte man sich natürlich noch die Frage stellen, ob Stefan Cernohuby, der Verfasser dieses Artikels, möglicherweise bereits beeinflusst wurde, um die Freimaurer in einem etwas besseren Licht dastehen zu lassen - zudem dieser Artikel am 23.05.2009 erschienen ist, wo doch jeder weiß, dass die Zahl 23 eine unglaublich wichtige Zahl für die Illuminaten ist - und diese sind ja schließlich beinahe identisch mit den Freimaurern! Ob die freundliche Begrüßung, die geheimen Handzeichen, das Überreichen eines Logenkugelschreibers mit dem geheimen Namen des Redakteurs oder der Blick auf den Meisterhammer der Loge ihm bereits den Verstand vernebelt haben? Wer weiß!

*Mehr Informationen über Vorträge des Autors Gerd Scherm finden Sie auf seiner Homepage.

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