StadtBekannt

Schimpfen wie ein echter Wiener

von Holzbaum Verlag
Rezension von Stefan Cernohuby | 22. Mai 2016

Schimpfen wie ein echter Wiener

An manchen Tagen geht einfach alles schief. Stress in der Arbeit, daheim hängt der Haussegen schief und dann rempelt einen so ein ungepflegter, übelriechender Idiot am Heimweg in der U-Bahn an. Hier benötigt man ein sehr spezielles Vokabular, besonders, wenn man sich in Wien befindet. Zum Glück leistet das in der Reihe „Stadtbekannt“ erschienene Buch „Schimpfen wie ein echter Wiener“ Abhilfe. Mal sehen, ob es auch einen echten Wiener überzeugen kann.

„Hearst du Oaschgsicht, hau di üba die Heisa, sonst drah i di haam!“, wäre eine zusammengesetzte Formulierung, die man in diesem Zusammenhang verwenden könnte, obwohl dies bereits ziemlich brutal wäre. Denn „Haamdrahn“ bedeutet so etwas wie eine Todesdrohung. Aber zurück zum Anfang.
Nach einer kurzen Einleitung, in der man sich von Verlagsseite auch ein wenig von der permanenten Anwendung der im Buch enthaltenen Begriffe distanziert, geht es mit den liebsten Begriffen der Wiener im Bereich des Schimpfens aus – nämlich jene, die sich um Anal, Genital und richtig „tiafe“ Aussagen drehen. Hier werden Nichtwiener vermutlich überrascht sein, wie vielseitig sich die menschliche Kehrseite dabei für Schimpfworte einsetzen lässt.
Da der Wiener gerne isst und trinkt kommen auch diverse Schimpfwörter aus diesem Bereich. Wenn „A klaanes Wiaschtl“ einen „Schmarrn“ redet, kann es sein, dass er „a beleidigte Leberwuascht“ ist, die „auf da Nudlsuppn dahergschwommen ist.“. Alles klar?
Lebenswichtige Füllworte wie „Oida“ und „Hearst“ werden näher in Augenschein genommen und mit situationsbezogenen Formulierungen kombiniert.
Das schimpfen auf Nichtwiener und Ausländer ist ebenfalls sehr verbreitet, wobei man hier unter anderem alle gängigen Spezialbezeichnungen für die „Gscheadn“ findet. Auch über das „Okrotzn“ in Wien wird genauer berichtet – denn in der morbidesten Hauptstadt der Welt drehen sich zahlreiche Formulierungen, Schimpfworte und Ankündigungen um das Thema Tod. Und auch die offensive Verwendung mancher Sprüche kann man hier an schönen (und weniger schönen) Beispielen erleben.

Ist das Werk „Schimpfen wie ein echter Wiener“ nun „Saugeil“ oder einfach nur „Fia’n Hugo“? Das kommt drauf an, wie man zu Schimpfwörtern und Dialektik steht. Für jemanden, der sich jeglichem Begriff, der nicht aus dem Hochdeutschen stammt, verweigert, wird das Werk kaum eine Offenbarung darstellen. Will man aber als „Gscheada“ zumindest die Grundzüge dessen verstehen, was einem an den Kopf geworfen wird, hat man hier einen passenden Ansatzpunkt. Was man sich aber keineswegs erwarten darf, ist ein komplettes Kompendium oder allumfassendes Verzeichnis für jedwede Formulierung, die einem in Wien um die Ohren fliegen könnte. Die Zahl der potenziell beleidigenden Wörter ist beinahe unendlich, besonders, wenn man sie allesamt miteinander kombinieren kann. Selbst für einen Wiener, wie hier im Fall des Rezensenten, kann das Werk einige Wissenslücken füllen und einige vergessene Details wiederauffrischen. Gleichwohl muss man auch festhalten, dass nicht alle Formulierungen in ihren hochdeutschen Übersetzungen tatsächlich 1:1 das wiedergeben, was die Aussage im Wiener Dialekt bedeutet – teilweise spiegelt die Übersetzung auch einfach nicht den gesamten Sinn der Aussage wider. Aber das sind eben Spitzfindigkeiten für „Fachtrottl“, nicht der Gesamteindruck. Letzterer ist dabei sehr positiv.

„Schimpfen wie ein echter Wiener“ ist ein Buch, das in unserem Test tatsächlich nicht untergegangen ist. Auch wenn man als Wiener vielleicht den einen oder anderen Begriff vermisst, kann man das Werk jedem, der zumindest einige der unzähligen seltsamen Beleidigungen und Flüche in Wien endlich verstehen will, nur ans Herz legen. Denn wie kann man die Seele einer Stadt besser verstehen, als durch ihre Beleidigungen? Und für alle, die anderer Meinung sind: „Gehts in Oarsch!“

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