Mit Bildern Geschichten erzählen


Wie du Storytelling gezielt in deiner Fotografie einsetzt
von Kai Behrmann, Thomas B. Jones
Rezension von Michael Seirer | 18. August 2023

Mit Bildern Geschichten erzählen

Wer kennt sie nicht, die Eltern, die unbedingt mal wieder einen Dia-Abend machen wollen und dann mit Hunderten von unsortierten Dias die Familie stundenlang lahm legen? Einzelne Fotos sind vielleicht wirklich gut, aber der Spannungsbogen fehlt. Seit jeher helfen Bilder uns, die Welt zu verstehen und Erlebtes einzuordnen. Gerade in Zeiten, in denen uns Social-Media-Plattformen mit Fotos und neuerdings auch Videos bombardieren, braucht es ein Konzept, um emotional fesselnden "Content" präsentieren zu können.

Das Buch beginnt mit einem wunderbaren Zitat von Gabriel Garcia Márquez: "Nicht was wir gelebt haben, ist das Leben, sondern was wir erinnern und wie wir es erinnern, um davon zu erzählen". Das Teilen von Erlebnissen, das Erzählen darüber, das Schreiben in Tagebüchern oder neuerdings auch das Dokumentieren mit dem Smartphone gehören zu den Kulturtechniken. Selten jedoch setzt man sich später mit den Hunderten von Fotos, die auf einer Reise entstanden sind, auseinander, wählt sie aus, bearbeitet sie und macht daraus zum Beispiel ein Fotobuch. Das vorliegende Buch will dabei helfen und stellt Werkzeuge vor, die es ermöglichen, nicht nur flüchtige Schnappschüsse, sondern ganze Geschichten in Bildsequenzen zu erzählen.

Dabei geht es um die kleinen Dinge des Alltags - auch wenn uns die sozialen Medien weismachen wollen, dass wir nur in fernen Ländern und an den außergewöhnlichsten Orten tolle Bilder machen können. Man denke als Gegenbeispiel nur an die sensationellen Arbeiten von Saul Leiter, der jahrzehntelang "nur" in seiner New Yorker Umgebung fotografiert hat, oder an Vivian Maier.

Kai Behrmann und Thomas B. Jones sind erfahrene Reportagefotografen und verstehen es, strukturiert in das Thema einzuführen: Nach der Erläuterung der Heldenreise und wie sie in bekannten Filmen umgesetzt wurde, geht es direkt in die Umsetzung mit dem Medium Fotografie. Attributklammern helfen, den Kern der Geschichte zu treffen, die Drei-Plus-Eins-Formel hilft, während der Reportage nichts zu vergessen. Was macht "ausdrucksstarke Bilder" aus und wie finde ich meine eigene Erzählstimme? Welche Techniken der Bildgestaltung helfen mir, meine gewünschte Botschaft klar zu vermitteln? Neben dem eigentlichen Fotografieren werden auch Themen im Vorfeld (Organisation, Kommunikation mit Ansprechpartnern) und im Nachgang (wie selektiere/arrangiere ich die entstandenen Fotos etc.) behandelt. 

Gute Beispielserien der beiden Autoren unterstützen den Text und zeigen mögliche Umsetzungen. Immer wieder eingestreute Aufgaben regen dazu an, das gelesene selbst umzusetzen und sich spielerisch weiterzuentwickeln. Die Autoren legen Wert darauf, zuerst ein festgelegtes Konzept zu erarbeiten: Was möchte ich eigentlich erzählen? Ohne klare Idee fotografiert man viel zu viel und verliert damit den "Fokus". Sehr gut ist auch die Anregung, im eigenen Archiv zu stöbern. Das hilft, Muster in den eigenen Fotografien zu erkennen und wiederkehrende Motive zu entdecken. Eine Liste von empfohlenen Fotografen, welche auch etwas unbekanntere Namen beinhaltet, ermöglicht über den Tellerrand zu blicken. Auch eine tolle Idee: Man sollte sich an Kurz-Serien von drei Bildern versuchen. Dafür ist oft kein tiefergehendes Konzept nötig, aber drei Bilder erzählen eine deutlich gehaltvollere Geschichte als ein Einzelbild.

Generell ist das Buch eher (prozess-)technisch behalten: Zum Thema Ideenfindung bzw. wie man Einfälle für kleine Serien oder Reportagen erarbeitet, findet man im Buch wenig. Hier muss man auf andere Werke ausweichen. Die Kapitel zur Präsentation der Fotoserie bzw. zum Equipment sind sehr kurz geraten und bringen in der Form kaum Mehrwert.

Die beiden Autoren schaffen es gut, die Fotografie als eine Möglichkeit des Geschichten erzählens darzustellen. Die gut strukturierten Kapitel versetzen Lesende in die Lage, Gelerntes am eigenen Archiv bzw. an eigenen neuen Projekten auszuprobieren und Aufgaben helfen, das Gelesene direkt anzuwenden. Egal ob es um die Fotos des letzten Urlaubes geht oder um eine Mountainbiketour mit dem Sohn. Die entstandenen Fotografien können nach der Lektüre in eine stimmungsvollen Sequenz arrangiert werden und nicht nur Fotografierende sondern auch Betrachtende werden dankbar sein.

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