Der Augenschneider

von Valentina Berger
Rezension von Stefan Cernohuby | 17. August 2010

Der Augenschneider

Augen sind bekanntlich die Fenster zur Seele. Doch was, wenn man einem Menschen bei lebendigem Leib seine Augen entreißt? Bleibt dann ein Stück Seele in ihnen zurück? Eine Frage, die in Valentina Bergers Erstlingsroman "Der Augenschneider" nicht gestellt wird, denn hier sollen jene Augen einem völlig anderen Ziel dienen, das aber nicht weniger düster ist. Ob dieser Psychothriller den Leser zu überzeugen weiß, wollen wir uns näher ansehen.

Als Gerichtsmediziner ist Heinz Martin grundsätzlich nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Seine aktuellen Untersuchungen sind allerdings alles andere als alltäglich. Denn ein Mörder geht um, der Frauen bei vollem Bewusstsein die Augen entfernt, um sie danach zu töten. Seine Theorie des Serientäters wird vom zuständigen Ermittler nicht unterstützt, im Gegenteil. Als Heinz feststellt, dass seine Halbschwester Emilia mit beiden Toten befreundet war und zudem perfekt ins Opferschema passt, sieht er nur eine Möglichkeit. Er ruft seinen Freund Helmut Wagner zur Hilfe, der eigentlich Chef der Abteilung ist, sich aber gerade nach Innsbruck versetzen lassen möchte. Widerwillig lässt dieser seine Verlobte allein und stürzt sich in den Mordfall. Im Gegensatz zu Moser ist er sofort von der Serientäter-Theorie überzeugt.
Jener Mörder ist in der Zwischenzeit nicht untätig. Denn der psychisch etwas labile Mann versucht für seine Schwester, die einst durch schreckliche Ereignisse ihr Augenlicht verlor, neue Augen zu verschaffen. Und tatsächlich hat er als unfreiwillige "Spenderin" Emilia Martin im Auge...

Valentina Berger hat für ihren Romanerstling Wien als Standort der Erzählung auserkoren. Sie hat die tatsächlichen Gegebenheiten ein wenig angepasst, um ihre Geschichte besser erzählen zu können - was keineswegs ein Fehler ist. Ihr Thriller, der mit 286 Seiten eher schnellere Lektüre als die üblichen Werke darstellt, hat jedoch mit einigen Besonderheiten aufzuwarten. Zum einen hat man einen Colombo-Fall vor sich, mit dem selbst der legendäre Fernseh-Inspektor noch nie konfrontiert war. Denn hier wissen die Ermittler schon vor dem Verbrechen, dass es begangen werden wird und sogar an wem. Danach heißt es einfach "nur" noch, den Mörder auszuforschen, aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. Die Tatsache, dass es einer der beiden Hauptcharaktere trotz dieses Wissens nicht schafft, seine Schwester aus der Gefahrenzone zu halten, nimmt dem Werk ein wenig an Reiz. Zum Anderen gibt es noch weitere Situationen, die nicht ganz glaubwürdig sind. Dass Ermittler Wagner nach einem Seitensprung mit einer Kollegin sofort in den nächsten Flieger nach Innsbruck springt, um seiner Verlobten selbigen zu beichten ist zwar lobenswert und sympathisch, aber äußerst unwahrscheinlich - zudem er gerade an einem brandgefährlichen Fall arbeitet. Was ihn dann an seinem Ziel erwartet ist zudem fragwürdig.
Abgesehen von diesen beiden Schwachstellen ist die Geschichte spannend erzählt, die Charaktere gut ausgearbeitet und die Möglichkeit einer Fortsetzung vorhanden. Insgesamt kann das Werk aber leider nicht als überdurchschnittlich bewertet werden. Es rangiert im guten Mittelfeld, ragt aber nicht aus der Masse ähnlich gearteter Thriller heraus.

"Der Augenschneider", der Erstlingsroman der österreichischen Autorin Valentina Berger, stellt solide Thrillerkost dar. Aufgrund einiger inhaltlicher Schwächen ist das Buch leider nicht in der Lage, sich von anderen Werken deutlich abzusetzen. Wer unterhaltsame und spannende Lesekost für zwischendurch sucht, ist allerdings definitiv nicht an der falschen Adresse.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2010
  • Umfang:
    272 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3492258123
  • ISBN 13:
    9783492258128
  • Preis (D):
    8,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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