Das Netz

von Fredrik T. Olsson
Rezension von Elisabeth Binder | 18. Mai 2016

Das Netz

Anfang Dezember in Stockholm, die Tage sind kurz, das Wetter trüb und feucht: So beginnen die typischen literarischen Exportartikel aus Schweden, die inzwischen mindestens so bekannt und beliebt sind wie das IKEA Regal, auf dem sie stehen. Fredrik Olsson ist bereits Wiederholungstäter im Genre. Chronologisch gesehen ist “Das Netz” vor dem vor zwei Jahren erschienen, erfolgreichen Erstling “Der Code” angesiedelt. Man muss dieses Buch also nicht unbedingt gelesen haben, um einen Einstieg zu finden.

William Sandberg ist ein Kryptologe, der für das schwedische Verteidigungsministerium arbeitet, aber zum Zeitpunkt, an dem die Handlung einsetzt, bereits seit einigen Monaten vom Dienst suspendiert ist. Die Suche nach der drogenabhängigen Tochter hat sich im Laufe von ein paar Monaten zu einer Obsession entwickelt, für die er Arbeit und Ehe ohne weitere Überlegung aufs Spiel gesetzt hat. Während der verzweifelten Suche erhält William mysteriöse E-Mails, die ihn vermuten lassen, dass sie ihn zu seiner Tochter führen könnten. Er willigt einem Treffen am Bahnhof ein, nur um vielleicht den einen wichtigen Hinweis zu erhalten. So weit kommt es aber nicht: Ein totaler Stromausfall unterbricht das Katz-und-Maus Spiel, dass Williams ehemaliger Arbeitgeber mit ihm treibt. Die Falle schnappt zu und William steht plötzlich als Hauptverdächtiger für den Stromausfall da, der nicht einfach auf technische Mängel zurückzuführen ist, sondern in böser Absicht ausgelöst wurde. Mit wenigen Ausnahmen sind die ehemaligen Kollegen im Verteidigungsministerium überzeugt, dass sie den Schuldigen gefunden haben. William Sandberg steht allerdings vor einem ähnlichen Rätsel: auch er hat keine vernünftige Erklärung, wie der Stromausfall ausgelöst wurde. Durch eine abenteuerliche Flucht entkommt er und bricht auf, um seine Unschuld zu beweisen und die wahren Ursachen für den bösartigen Stromausfall herauszufinden. Die Suche führt ihn in die eigene Vergangenheit, nach Polen und in eine mögliche Zukunft. Mit der Unterstützung von ein paar Freunden und seiner noch-nicht Ex-Frau, die nicht an die offizielle Version von Sandbergs Schuld glauben, gelingt es ihm schließlich eine noch viel größere Bedrohung abzuwenden.

Die Auflösung des Rätsels könnte  für eingefleischte Fans des Genres, ohne jetzt allzu viel zu verraten, nicht ganz befriedigend sein. Olsson bewegt sich da eindeutig weg von alltäglichen Erklärungen und hin zu eher philosophischen Betrachtungen. Das geschieht aber sicher nicht aus mangelndem schriftstellerischen Geschick oder weil ihm nach 500 Seiten die Ideen ausgehen, sondern regt zum Nachdenken an.

In vielen Belangen ist “Das Netz” ein typischer Vertreter seiner Gattung. Das beginnt mit dem genretypischen Prolog, der einen düsteren Schatten voraus wirft, den obligatorischen Verfolgungsjagden, der Ahnungslosigkeit des Helden und der späten Erkenntnis, wo das Böse nun eigentlich lauert. Was “Das Netz” von einem handelsüblichen Thriller unterscheidet, sind die Einblicke in das Innenleben der beteiligten Personen, die tiefer gehen, als das normalerweise der Fall ist. Das sind keine Action Figures, die durch Nacht und Nebel hetzen, sondern Personen, mit allen möglichen menschlichen Schwächen und Stärken.

Das Buch liegt zwar schwer in der Hand, ist aber schwer aus dieser zu legen. Wohl aus diesem Grund bietet der Verlag für “Das Netz” das Online Service Papego an. Wer die Handy App von Papego installiert, kann einfach die zuletzt gelesene Textstelle mit der Handykamera fotografieren und dann nahtlos am Handy weiterlesen. Das Service funktioniert schnell und zuverlässig. Unter Umständen könnte aber, ist man im letzten Drittel des Buchs angelangt, ein gewisses Misstrauen gegenüber der allgegenwärtigen Vernetzung von Informationen im Internet auftauchen. Mehr soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden.

“Das Netz” ist ein spannend geschriebener Thriller, der sich ein Stück weit von den klassischen Regeln des Thrillers in Richtung Science Fiction bewegt. Wer sich darauf einlässt, den erwartet nicht nur eine fesselnde, straff geführte Handlung, sondern auch ebenso behutsam gezeichnete Figuren, die diese Handlung mit Leben füllen und das Buch äußerst lesenswert machen.

Details

  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    04/2016
  • Umfang:
    672 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783492057486
  • Preis (D):
    16,99 €

Bewertung

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  • Gewalt: