BUCH WIEN 2011

Beitrag von Stefan Cernohuby | 22. November 2011

Trotz stark wachsender digitaler Medien ist das gedruckte Wort immer noch von Relevanz. Insbesondere für all jene, die nicht nur am Sonntag den Sportteil einer Tageszeitung durchblättern, sondern sich auch für Literatur interessieren. Das Stichwort lautet also „Bücher“.

Aus dem deutschsprachigen Raum kennt man mehrere große Buchmessen, zum Beispiel Leipzig und Frankfurt. Dort wird jedes Jahr ein großer Teil des lokalen Messegeländes dazu genutzt, um dem Medium Buch zu huldigen. Unzählige Verlage aus dem In- und Ausland reißen sich darum, als Aussteller teilnehmen zu können. Und es gibt eine Buchmesse in Wien, kurz „Buch Wien“.
Vergleicht man nun Leipzig (~523.000 Einwohner), Frankfurt am Main (~680.000 Einwohner) und Wien (~1.740.000 Einwohner), dann sollen sich die Dimensionen der Buchmessen in etwa abschätzen lassen - sollte man zumindest meinen. Denn die drittgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum schwächelt in dieser Hinsicht gewaltig.
2011 war man in Wien stolz auf ein Besucherplus von etwa 20 Prozent. Die Besucherzahl betrug nun um die 33.000, und das an vier Tagen.
Vergleicht man wieder mit Leipzig und Frankfurt, hatten diese beiden 163.000, beziehungsweise 280.000 Besucher.
Fairerweise muss man hier natürlich erwähnen, dass die Frankfurter Buchmesse eine Tradition hat, die bis in die Anfänge des Buchdrucks von Johannes Gutenberg in Mainz zurückgeht, welches Frankfurt bekanntlich sehr nahe ist. Zudem findet die aktuelle Form bereits seit 1949 statt - man hat also hier einige Erfahrung vorzuweisen.

(c) Richard Schuster 2011Stellt man Wien allerdings mit Leipzig gegenüber, muss man sich jedoch wieder fragen, was hier anders gemacht wurde. Leipzig befindet sich nicht unbedingt gerade in der wirtschaftlich stärksten Gegend Deutschlands. Die Messe gibt es genauso lang wie die „Buch Wien“, wobei letztere bereits einen Vorgänger mit dem Namen „Buchwoche“ hatte, die immerhin 60 Mal stattfand. Der Unterschied in den Besucherzahlen sollte daher grundsätzlich nicht derartig frappierend ausfallen. Tut er aber.
Ein wenig liegt das natürlich auch an den Ausmaßen der Messe. Während sich selbst in Leipzig auf breiter Fläche und mehreren Sälen und Stockwerken Besucher, Autoren und Verlagsmitarbeiter tummeln, war den Büchern in Wien 2011 eine einzelne Halle des Messegeländes gewidmet, wobei etwa ein Sechstel der Fläche bereits von der Messeeigenen Kaufbuchhandlung eingenommen wurde.

(c) Richard Schuster 2011Um einen Eindruck zu erhalten, wie sich die Messe am wohl stärkst frequentierten Tag präsentieren würde, begab sich die Redaktion von Janetts Meinung - allerdings nur durch einen Redakteur vertreten - am Samstagnachmittag an den Ort des Geschehens. Tatsächlich war die Menge der Gäste relativ überschaubar. Nach Befragung mehrerer Verlagsmitarbeiter handelte es sich jedoch tatsächlich um den stärksten Besucherstrom bis zu dem aktuellen Zeitpunkt.
Die größte Zusammenrottung an Menschen befand sich vor einem Kochstand, an dem „Live“ gekocht wurde, die Zuschauer durften das Essen verkosten. Einige Stunden lang wurden die einzelnen Stände begutachtet, einige Gespräche mit anwesenden Autoren und Verlegern geführt, sowie Podiumsdiskussionen und Kurzlesungen verfolgt. Doch auch wenn dabei einige interessante Kontakte hergestellt werden konnten, waren bestimmte Fakten trotzdem ernüchternd. Die meisten der großen deutschen Verlage investierten nicht mehr Aufwand als unbedingt notwendig in ihre Standpräsentation. Während Kleinstverlage darum kämpften, wahrgenommen zu werden, waren jene Stände mit der deutlichsten durchgehenden, aktiven Präsentation leider jene, bei denen Kenner der Verlagslandschaft erst einmal schlucken müssen. Denn dabei handelte es sich um den Novum Verlag sowie die Frankfurter Verlagsgruppe August von Goethe inklusive all seiner Konsorten. Verlage, die ein etwas anderes Geschäftsmodell verfolgen als ihre klassische Konkurrenz. Dieser Artikel ist allerdings der falsche Ort um das Thema zu vertiefen. Wer mehr darüber wissen möchte wie diese Organisationen arbeiten, muss einfach nur deren Namen in Google eingeben. Dort gibt es genügend Erfahrungen von Autoren mit den Verlagen nachzulesen.
Etwas überraschend und waren auch zwei Stände eines offensichtlichen Selbstinszenierers, beziehungsweise Selbstverlegers aus Wien, der möglicherweise durch Omnipräsenz punkten wollte.

Darüber hinaus war auch das Rahmenprogramm an den unterschiedlichen Bühnen nicht unbedingt immer zielführend. Sicherlich befanden sich auch diverse Prominente, Stars und Sternchen der Literatur- und Gesellschaft auf der Messe - darunter der österreichische Bundespräsident, Charlotte Roche, Hugo Portisch oder Reinhold Messner. Dagegen war jedoch eine Diskussion mit dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, ob er nun tatsächlich nur ein Buch in seinem Leben ausgelesen habe, möglicherweise ein wenig kontraproduktiv.

Doch eines darf man der Buchmesse wirklich nicht ankreiden und das ist mangelnde Professionalität. Sowohl für Pressezugang, Informationsmaterial und Homepagegestaltung, als auch für die Präsentation der einzelnen Bühnen lief alles reibungslos ab. Es war schlichtweg die Resonanz, die nicht so stark ausgefallen war, wie es möglich gewesen wäre. Die Organisatoren üben sich zwar in Zweckoptimismus und sprechen von einer hervorragenden Steigerung der Besucherzahlen von beinahe zwanzig Prozent, der Anspruch sollte aber ein höherer sein. Eine dritte große Buchmesse im deutschsprachigen Raum sollte sich in einer Stadt wie Wien fest etablieren können, mit vergleichbarer Besucherzahl wie andernorts. Möglicherweise wird die Vergrößerung im kommenden Jahr positiv dazu beitragen, möglicherweise müssen auch Medien und Werbung stärker sensibilisiert werden, um das Interesse nicht nur in der Nachbarschaft sondern in ganz Österreich zu wecken. Wir werden auf jeden Fall gespannt verfolgen wie es mit der „Buch Wien“ weitergeht.

BUCH WIEN 2011