Elyrion - Erbe der Titanen (Grundregelwerk)

von Christian Loewenthal
Rezension von Stefan Cernohuby | 18. Februar 2010

Elyrion - Erbe der Titanen (Grundregelwerk)

Viele kreative Köpfe arbeiten zu jeder Zeit daran neue Welten zu erschaffen und diese mit Wesen zu bevölkern, die ihrer Vorstellung entsprechen und ihrer Fantasie entspringen. Gerade im Bereich Fantasy und im Genre der Rollenspiele gibt es diesbezüglich zahlreiche ausgetretene Pfade. Will man etwas Neues erschaffen, das sich einen Platz im Pantheon der großen Rollenspiele sichern kann, muss dies etwas Besonderes sein. Gleichzeitig bleibt aber die Forderung aufrecht, dass das Spiel eine möglichst große Spielerzahl ansprechen soll, um auch rentabel zu sein. Prometheus Games hat mit "Elyrion" ein Rollenspiel auf den Markt gebracht, das genau diese beiden Anforderungen vereinen soll. Keine einfache Aufgabe.

Nun hält man also das 311seitige Grundregelwerk von "Elyrion" in Händen. Der erste Blick auf den soliden Hardcoverband zeigt eine gelungene Illustration, auf der eine Art Engel mit einem hässlichen Kontrahenten, der eine krude Axt schwingt, zu kämpfen scheint. Darüber angeordnet ist ein durchaus ansehnliches Logo, das durch die dunkle Gestaltung des Covers aber leider nicht so richtig zur Geltung kommt.
Danach öffnet man das Regelwerk und es flattert einem gleich eine Karte des Kontinents Audakia entgegen, die sich immerhin auf A2 (!) entfalten lässt. Kein schlechter Anfang.
Danach geht es erst einmal zum Inhaltsverzeichnis, bei dem man bereits einen Vorgeschmack des Layouts erhält, im Hintergrund befindet sich nämlich ein Bild. Beim schnellen Durchblättern stellt man fest, dass dies überall im Buch der Fall ist und sich nur die Hintergründe nach Kapiteln ändern.
Kapitel 1 begrüßt den Leser, fasst den Inhalt der einzelnen Kapitel zusammen und versucht zu vermitteln, was Rollenspiel eigentlich ist. Das zweite Kapitel erklärt kurz, dass die Welt, in der "Elyrion angesiedelt ist, in mehrerlei Hinsicht Gegensätze aufweist.
Danach wird es episch. Denn stilecht beginnt die Geschichte bei der Schöpfung von "Elyrion" - was "die Schöpfung des Lichts" bedeutet. Drei Götter schufen die Welt, entzweiten sich danach, um sich am Ende gegenseitig auszulöschen. Doch ihre Macht lebte in den nach ihnen entstandenen Rassen weiter, die sich danach mit dämonischen Kreaturen von außerhalb sowie untereinander zu bekriegen beginnen. Der aktuelle Stand ist immer noch eine magische Welt mit tiefen Wunden, in der Völker leben, wie man sie schon aus anderen Fantasywelten kennt. Doch dazu mehr im nächsten Kapitel.
Dieses erzählt nämlich von den unterschiedlichen Rassen und Völkern. Unterschiedliche Ausprägungen von Alben (Elfen), wolfsmenschenartige Kogasha und technisch gesehen beinahe unsterbliche Kobolde begegnen einem hier. Seltsame dunkelhäutige Feuerwesen aus dem Norden und das eigentlich längst ausgelöschte Volk der Illuriel folgen danach. Orks, Halborks und Zwerge gibt es ebenso wie Menschen, die allerdings gleich in Form mehrerer Völker präsent sind. Jedes Volk besitzt andere Grundeigenschaften, die teils Vorteile, teils Nachteile bringen.
Kapitel fünf beschreibt die Geographie der Welt. Von den Eislanden über die orkische Feste des Himmels bis hin zum zerstörten Land, überall gibt es Leben und von überallher können Charaktere stammen. Landbeschreibungen werden von Kurzgeschichten und Darstellungstipps im Spiel begleitet. Direkt daran schließen die Vorstellungen von Archetypen mit ganzseitigen Illustrationen an.
Danach können endlich Charaktere erschaffen werden, denn darum dreht sich das sechste Kapitel. Auch der Probenmechanismus (hier wird ein 20seitiger Würfel eingesetzt) wird erläutert. Attribute, Gaben und Schwächen sowie Fertigkeiten und Talente folgen, was das Kapitel technisch zu einem der wichtigsten im ganzen Buch macht.
Hat man einen Helden erschaffen, so wird man sicher auch kämpfen wollen. Hier hilft Kapitel sieben weiter. Der Standardkampf mit Initiative und Aktionen wird ebenso behandelt wie auch der Einsatz spezieller Waffen und Manöver - selbst Fahrzeugkampf darf nicht fehlen. Das Kapitel endet mit einer Übersicht von Waffen und Rüstungen.
Auch Magie ist natürlich in einer Welt wie "Elyrion" sehr bedeutsam. So wird hier auf unterschiedliche Arten derselben eingegangen, wobei interessante neue Ansätze verfolgt werden.
Nicht nur Magie gibt es in dieser Welt, auch telepathische Fähigkeiten sind existent - diese werden Mentalismus genannt und in Kapitel neun behandelt. Kapitel zehn widmet sich daraufhin den Priestern genauer.
Wenn alles bereit zum Spielen ist, sollte auch bekannt sein, wie der Heldenalltag aussieht und welche Werkzeuge selbige verwenden können. (Dazu zählen auch sogenannte Technomatische Artefakte, also Gegenstände, die n der Lage sind mit Körpern zu verschmelzen) Dies geschieht in den Kapiteln elf und zwölf, während sich die böse 13 Gegnern und Monstern widmet.
Abgeschlossen wird das Werk mit Kapiteln über die schreckliche Mark Asgothar, sowie einem Einstiegsabenteuer und einer (Preis)Übersicht über Waren und Dienste.

Viele Rollenspielproduzenten setzen voraus, dass man schon Erfahrung mit dieser speziellen Art von Gesellschaftsspiel hat. Bei "Elyrion" merkt man allerdings, dass sich das Spiel auch gezielt an Neueinsteiger wendet. Die Welt selbst beinhaltet eine bunte Mischung aus Fantasy, Steampunk und epischen Mythen, was es für die meisten Spieler relativ einfach machen sollte, einzusteigen.
Das Spielsystem selbst ist ebenfalls geglückt, wenn auch ein bisschen Rechnerei notwendig ist, um die Erfolgsproben zu bestimmen. Dies sollte aber niemanden vor große mathematische Probleme stellen. Interessant dabei ist, dass die Helden in diesem Spiel Nichtspielercharakteren von Natur aus überlegen sind. Diese "Natur" nennt sich in diesem Fall "Das Erbe der Titanen" und manifestiert sich in Heldentumspunkten, die nach Bedarf eingesetzt werden können, um bestimmte Chancen zu verbessern oder die des Gegners zu verschlechtern. Mit Hilfe dieser Punkte können zudem Proben wiederholt werden. Auch in "Elyrion" steigen Charaktere Stufen auf, nachdem sie eine bestimmte Anzahl von Ruhmpunkten errungen haben, der Prozess selbst ist aber bei weitem nicht so kompliziert wie in anderen Rollenspielen.
Sehr interessant ist auch das Magiesystem geworden. Klassische Arten wie Spruchmagie (wie auch in anderen Rollenspielen bekannt), Ritualmagie und Beschwörungen stehen zwei relativ einzigartigen Konzepten gegenüber. Die Spontanmagie erlaubt es Zirkelmagiern, die Wirkung eines Zaubers in gewissem Ausmaß selbst zu definieren und zu lenken. Dies ist jedoch an bestimmte Domänen, die er beherrscht, gebunden. Beim Einsatz jedes Zaubers gibt es einen sogenannten Essenzschaden, der den Zaubernden schwächt. Mit Pech kann man auch der Essenzsucht verfallen - also dem Rausch nach immer größerem Machteinsatz.
Zusätzlich gibt es noch die Fertigkeit der Inspiration. Ein sogenannter Animist lässt einen Geist in seinen Körper fahren, um durch dessen Macht Zauber zu wirken - selbstverständlich ist das nicht ungefährlich.
Den positiven Aspekten von "Elyrion" stehen allerdings auch einige negative gegenüber. Die meisten beziehen sich dabei auf das Grundregelwerk selbst. Formatierungsfehler und die Ähnlichkeit der Farbe des Hintergrundes zum Text machen das Lesen mitunter schwer. Die Gliederung von Inhaltsverzeichnis und Kapiteln ist nicht unbedingt perfekt, schwarze Infoboxen und Trennlinien tauchen unvermittelt und nicht wirklich konsistent auf.
Auch die Illustrationen sind von wechselnder Qualität. Wirken einige der Darstellungen geradezu genial, erscheinen andere im Vergleich zu diesen zweidimensional und viel zu simpel. Zudem sind einige Fehler passiert, deren Auflistung und Korrektur aber zum Glück in Form eines Downloads auf der Homepage von Prometheus Games erhältlich ist. Viele dieser "Kinderkrankheiten", die eine erste Version eines Rollenspiels mit sich bringt, werden aber sicherlich in späteren Auflagen und Überarbeitungen korrigiert werden.
Insgesamt, positive und negative Aspekte berücksichtigt, lässt sich allerdings ziemlich einfach resümieren: "Elyrion" ist ein Rollenspiel, das viele verschiedenen Ingredienzien vereint und einem interessierten Spieler eine fantastische neue Welt bietet. Klarerweise hätte man einige Details besser machen, nochmals überarbeiten oder anders präsentieren können. Das lässt sich im Nachhinein immer leicht sagen. Trotzdem bleibt "Elyrion" empfehlenswert, sowohl für Einsteiger, als auch für erfahrene Rollenspieler.

"Elyrion", das bei Prometheus Games erschienene Steamfantasy-Rollenspiel, hat zwar in seiner ersten Erscheinungsform noch einige kleine Mankos aufzuweisen, bietet aber nichtsdestotrotz Abwechslung und neue Ideen im Rollenspielsektor. Hier ist eine schwierige Gratwanderung gelungen, denn das Spiel ist in der Lage Neulinge und Veteranen gleichermaßen anzusprechen.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
    Keine Bewertung
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Spieltiefe: