Schattenschläfer

von Paul Finch
Rezension von Manfred Weiss | 14. Januar 2016

Schattenschläfer

Serien bieten die Gelegenheit lieb gewonnene Charaktere wieder und wieder zu treffen. Das Ende eines Bandes verspricht oft ein baldiges Wiedersehen. Besonders häufig als Serienhelden sind Polizisten oder Detektive. So auch bei „Schattenschläfer“ von Paul Finch, dem vierten Band einer Reihe von Thrillern, in deren Mittelpunkt Detective Sergeant Mark „Heck“Heckenburg steht, ein englischer Polizist, der wieder und wieder in die Aufklärung spektakulärer Verbrechen involviert ist.

Finch folgt seinem Helden diesmal nach Cragwood Keld, dem neuen Dienstort von Heckenburg im Norden Englands. Nach mehreren spektakulären Fällen bei Scotland Yard hat er sich an diesen abgeschiedenen, kleinen Ort versetzen lassen. Hier tummeln sich im Sommer und Frühherbst Touristen, die Natur und Ruhe genießen wollen. Aber nun im November ist Nachsaison und es sind nur die wenigen Einheimischen vor Ort. Doch dann finden Heckenburg und seine Kollegin von der örtlichen Polizei eine schwer verletzte Wanderin. Alles was sie über den Täter, der sie angegriffen hat, berichten kann, ist, dass er, unsichtbar in Nebel und Finsternis, vor dem Angriff auf sie ‚Strangers in the night‘gepfiffen hat. Das weckt bei Heckenburg Erinnerungen an einen lang abgeschlossenen Fall. Vor fast zehn Jahren hatte ein Serienmörder auf einsamen Rastplätzen junge Paare brutal ermordet und verstümmelt. Die Polizei hatte dem Killer damals eine Falle gestellt und ihn bei der Festnahme angeschossen. Danach verschwand er, tödlich verwundet. Die Leiche wurde nie gefunden, aber das Morden endete. Der Fall wurde abgeschlossen, doch aus Ermittlungsgründen wurde nie publik gemacht, dass der Serienmörder die Angewohnheit hatte bei seinen Morden ‚Strangers in the night‘zu pfeifen und damals in Polizeikreisen immer nur “Der Fremde”genannt wurde. So kommt Heckenburg der schreckliche Verdacht, dass “Der Fremde”doch noch lebt und nun nach fast zehn Jahren sein grausames Morden wieder aufnimmt. Gefangen im dichten Nebel, der sich über die Landschaft gelegt hat und fast abgeschnitten von der Außenwelt, macht sich Heckenburg auf die Jagd nach dem Killer.

Vor dem Hintergrund der detailreich beschriebenen Landschaft entwickelt sich der Thriller beinahe zu einer Horrorgeschichte. Das Böse scheint zu allem fähig, omnipräsent und ist, versteckt im dichten Nebel, den bedrohten Personen immer einen Schritt voraus. Die Spannung ist greifbar, obwohl man sich bei vielen Situationen, die im Buch nahezu atemlos aneinander gereiht sind, unbedingt verkneifen sollte, sie auf Logik und Realitätsnähe zu hinterfragen. In den knapp 500 Seiten steckt so viel Handlung, dass das eine oder andere schon fast als zu viel erscheint.
Anders als es bei vielen Krimis oder Thrillern gerade modern ist, verzichtet Finch darauf, seinem Detective ein besonderes Profil zu verpassen. Man erfährt kaum mehr als ein paar Hinweise zu ein, zwei konfliktgeladenen Liebesgeschichten, die dann auch alles bleiben, was dem Ermittler ein wenig persönliche Tiefe verleiht.
Auch Ausflüge in persönliche Geschichten und Hintergründe der diversen anderen handelnden Personen bleiben kurz und sind mehr dem Aufbau von zusätzlicher Spannung verpflichtet, als die Handlung zu verbreitern oder zu vertiefen.
Neben Spannung, Thriller und Horror bietet "Schattenschläfer" auch viele spektakuläre Action-Szenen, die man sich gut in einer filmischen Umsetzung vorstellen kann. Aber auch hier gilt: nicht zu viel auf Plausibilität hinterfragen, sondern nehmen wie es ist und den Spannungsbogen genießen. Finch rutscht auch hier immer wieder über die schmale Kante, wo der Eindruck entsteht, dass Action und Spannung Selbstzweck werden und alles andere dafür über Bord geworfen wird.
Die beschriebene Brutalität im Buch ist direkt und dadurch letztlich weniger aufwühlend, als subtil beschriebene Folter- und Tötungsrituale anderer ähnlicher Bücher. Man hat das Gefühl, dass Finch sich so sehr darauf konzentriert, einen unglaublich grausamen Täter zu beschreiben, dass er übersieht, dass letztlich das Ausweiden von Mordopfern, weil so extrem, den Leser weniger schocken mag, als andere, auf den ersten Blick weniger spektakuläre Grausamkeiten. Insofern ist das Buch eine vergebene Chance. Weniger wäre da manchmal mehr, egal ob bei Horror, Action oder Grausamkeiten.

"Schattenschläfer" ist ein Buch für Leser, die auf der Suche nach purer Spannung sind und dafür bereit der Erzählung widerstandslos zu folgen, wohin auch immer sie führen mag. Es weckt auch Interesse an den vorhergehenden Abenteuern Heckenburgs, obwohl deren Ausgang im Buch teils vorweggenommen werden. Aber auch ohne Kenntnis der vergangenen Fälle ist es problemlos möglich mit "Schattenschläfer" in die Reihe einzusteigen.
Sucht man jedoch nach einem Thriller, der mit feiner Klinge eine plausible Geschichte erzählt und subtile Spannung und Schrecken verbreitet, sollte man vermutlich zu einem anderen Werk greifen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2016
  • Umfang:
    480 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783492306874
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt: