Das Café ohne Namen

von Robert Seethaler
Rezension von Emilia Engel | 29. Mai 2023

Das Café ohne Namen

Ein Café ohne Namen ist es, das Robert Simon eröffnet.  Doch wie wichtig ist schon ein Name? Die Hauptsache ist doch, dass es einen Ort gibt, wo die Menschen einkehren können. Ein Ort, an dem man mit den verschiedensten Menschen zusammenkommen kann - Arbeiter, Künstler, vom Leben gebeutelte Menschen. Welche, die Hoffnung für die Zukunft haben, aber auch solche, die jegliche Hoffnung verloren haben. Mit diesem Buch lädt uns Robert Seethaler ein, selbst Platz in dem Café  zu nehmen und gemeinsam unseren Blick über die Menschen dort schweifen zu lassen.

1966. Der Krieg ist längst vorbei, dennoch muss Wien noch einiges an Staub abwerfen und wieder aus der Asche auferstehen. Robert Simon ist ein Gelegenheitsarbeiter am Karmelitermarkt im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Mal hilft er dem Fleischhauer oder wo auch immer Hilfe gebraucht wird. Er ist ein einfacher Mann, eher zurückhaltend und lebt bei einer Kriegerwitwe. Robert möchte am Karmelitermarkt ein Café eröffnen. Das passende Lokal hat er bereits. Mit viel Sorgfalt bringt er es auf Vordermann, ganz alleine. Roberts Angebot ist überschaubar - Kaffee, Wein, Schnaps, Schmalzbrot. Schon bald nach der Eröffnung lässt sich erkennen, dass das Café gut ankommt. Die Marktarbeiter können hier Pause machen oder nach der Arbeit noch mit anderen gesellig zusammensitzen. Aber auch viele andere besuchen dieses einfache Etablissement. Ganz urige Gestalten sind unter ihnen, gezeichnet vom Leben. Es sind teils einfache Menschen, die im Café ohne Namen Zeit verbringen, um nicht alleine sein zu müssen. Viele Menschen treffen hier aufeinander, Leben berühren sich, beeinflussen sich oder auch nicht. Es ist ein leben und leben lassen. Schließlich stellt Robert auch eine Hilfskraft ein, Mina, die ein wertvolles Mitglied in seinem Café wird und schon bald, genau wie Robert, zum Café einfach dazugehört.
Nicht immer läuft es gut, auch wenn Robert sich nicht zu viel vom Leben erwartet, so wie viele andere auch, die einfach nur ihr Leben leben möchten. Aber auch ihn trifft das Schicksal unerwartet. 

Robert Seethalers neuestes Werk ist “Das Cafe ohne Namen” und spielt in der Gegend am und um den Karmelitermarkt in Wien. Man merkt eindeutig, dass Seethaler die Gegend selbst sehr gut kennt, denn er schafft es, seine Leser und Leserinnen sehr gut dorthin zu entführen. Wer die Gegend selbst kennt, fühlt sich sofort wie Zuhause und kann förmlich sehen, wo das Café des Protagonisten steht, wo die Menschen ihrer Wege gehen. Natürlich ist die Zeit eine andere. Alles ist etwas trist und farblos. Die Menschen sind in ihrem eigenen Leben gefangen, versuchen das Beste daraus zu machen, sind schon mit wenig zufrieden. Aber oft genug gibt es Trauriges, das wir miterleben. “Das Café ohne Namen” ist kein Buch, in dem  die Lesenden viel über Geschichte oder politische Statements lesen werden. Im Grunde ist es ein Buch über Menschen, Menschen verschiedenster Art. Jeder von ihnen hat sein eigenes Päckchen zu tragen. So tauchen wir als Leser und Leserinnen nicht nur in das Leben von Robert Simon ein, sondern auch in das Leben des Fleischhauers, in Minas Leben, das eines Boxer und das von einigen anderen Gästen von Roberts Cafés. Denn sein Café ist ein Ort, der die Leute verbindet, ein Schnittpunkt, der Gemeinsamkeit schafft, zumindest für den Moment, in dem man dort seinen Kaffee oder seinen Spritzer trinkt. Dieses Buch ist ein angenehm unaufgeregt erzähltes Buch, das ruhig dahin plätschert, während man in die Leben der Protagonisten blickt. Es ist erst kein größeres Ziel erkennbar und dennoch versteht es der Autor, mit seiner Geschichte zu fesseln. Was die verschiedenen Leben vereint oder voneinander trennt - Einsamkeit, Hoffnung, Liebe, Vergänglichkeit. So vieles kann man bei Seethalers Werk entdecken.

Alles in allem ist Roberts Seethalers neuestes Werk ein gelungener und unterhaltsamer Roman, der den Lesenden in das Wien Ender der 1960-er, Anfang der 1970-er Jahre entführt. Interessante Charaktere, in deren Leben und Leiden man eintaucht,  warten auf die Leserschaft. Als Wiener*in freut man sich natürlich von bekannten Gegenden und Straßen zu lesen. Aber auch als Nichtwiener*in wird man an diesem Roman seine Freude finden.

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