Immortalis

von Erdenstern
Rezension von Stefan Cernohuby | 07. September 2018

Immortalis

Unsterblichkeit ist ein seltsames Konzept, jedoch auch eines, das man unterschiedlich interpretieren kann. Denn nicht sterben zu können, bedeutet nicht zwangsläufig alt zu werden, ohne zu altern. Es könnte auch heißen, dass die Seele eines körperlich Verstorbenen niemals Ruhe findet. In der Welt des „Seelenfänger“-Rollenspiels liegt die Vermutung nahe, dass es nicht gut ist, nicht zu sterben. Mit „Immortalis“ hat Erdenstern nun einen weiteren Puzzleteil für die Welt beigesteuert.

Gleich der erste Titel trägt den Namen des Albums. Bedrohlich und gleichermaßen zögernd beginnt das Lied, bis Streicher einsetzen, die versuchen zu beschwichtigen, dass die hintergründige Bedrohung immer näher rückt.
Oft fragt man sich, was kommt nach dem Tod? „Die andere Seite“? So lautet zumindest der Name des zweiten Tracks. Doch die geheimnisvollen und teils leidenden Klänge wirken in dieser Hinsicht nicht vertrauenserweckend.
„Das Land des Täuschers“ ist es, in dem sich die Protagonisten des Rollenspiels fortbewegen. Mit einem gewissen mittelalterlichen Touch und mit Dudelsack-Charakter wird ein drängender Rhythmus immer stärker.
Wenn der Titel eines Lieds „Das Dorf am Rande der Verdammnis“ trägt, kann man sich vorstellen, dass es dort nicht sonderlich enthusiastisch zugeht. Das Lied beginnt leise, man meint aber die Düsternis in der Entfernung wahrzunehmen. Die ganze Zeit wartet man, darauf, dass die Verdammnis kommt. Und dann...
Wenn der Untergang droht, ist es eine beliebte Vorgehensweise, sich abzulenken. Das gelingt mit „Säufer, Schurken und Verfluchte“ ganz gut. Hier kommt auch zum ersten Mal eine Sängerin zum Einsatz und bringt eine exotische Note in das Lied ein.
Herzen sind stark, nicht nur wenn sie ganz frisch sind. „Das Herz eines Helden“ klingt allerdings schon ein wenig müde, bis es verklingt.
„Der Nebel“ ist etwas, das vieles verbirgt. Manchmal hat man Angst davor, manchmal ist man froh, dass man nicht alles sehen muss. Und doch ist er bedrohlich, was man auch aus dem Lied heraushört.
Ein „Hexenreich“ ist selten etwas Positives, besonders in einer Welt, in der eigentlich alles gefährlich ist, dem man begegnet. Mit harten rhythmischen Brüchen wirkt das Stück unkonventionell und – wenig überraschend – bedrohlich.
Unterwegs zu sein, das bedeutet Veränderung, Gefahr und Vorsicht. Das wird durch sehr gezielten Streichereinsatz zum Ausdruck gebracht. Doch obwohl die Gefahr immer vorhanden ist, gibt es in diesem Lied auch lichte Momente.
Feen soll man bekanntlich nicht trauen. Oder war das Elfen? Egal. „Feenfürsten“ sind diesbezüglich eine Nummer größer und wohl auch geheimnisvoller, zumindest klingt die Musik danach. Und man verspürt dennoch nicht so viel der Falschheit, wie sie in den vorangegangenen Liedern oft vorhanden war.
„Die Beschwörung“ schlägt gleich wieder in eine völlig andere Kerbe. Hier will man eigentlich nicht in der Nähe sein, muss es aber.
Dass die Welt von „Seelenfänger“ nicht glücklich ist, wurde schon früher zum Ausdruck gebracht. „Das Traurige Land“ unterstreicht dies jedoch – unter anderem unterstützt durch Choräle und eine Solistin.
Treibend und geheimnisvoll wirkt „Nachtjäger“. So als wäre ein Mob aus religiösen Fanatikern hinter einem her. Ein beklemmendes Stück, aber sicherlich genau so umgesetzt wie vorgesehen, nicht einmal das schwere Atmen des Flüchtenden fehlt.
„Das verfluchte Haus“ wirkt etwa stationärer, auch wenn man glaubt Schreie aus ihm zu hören. Oder ist es doch Gesang? Das ist nicht ganz klar. Aber irgendetwas stimmt da nicht, das zeigt die Musik sehr deutlich an und steigert sich gegen Ende hin zu einem gefährlichen Crescendo um dann in der Stille zu verklingen.
Es gibt Stadtbewohner und die anderen. „Der Stamm der Barbaren“ gehört zu den anderen. Musikalisch beginnt das Werk bodenständig, mit tiefen Hörnern, wechselt dann aber zu Flöten, die andeuten, dass es doch auch Medizinmänner gibt. Und vielleicht sogar Helden.
„Tiefer, immer tiefer“ kann man mit lauernden Schatten assoziieren. Düster und gefährlich.
Was wollen Seelenjäger? Nunja, „Sie wollen nur deine Seele“, das wäre vermutlich keine besonders beruhigende Nachricht, besonders für einen Geist. Und doch hat das Lied eher beruhigenden Charakter, obwohl es gegen Ende doch ein wenig bedrohlichen Charakter zeigt. Oder war das keine Beruhigung, sondern Hypnose?
Auch „Giganten“ trägt nicht wirklich zur Beruhigung der Charaktere bei. Eindrücke von gewaltigen Mächten machen dem Zuhörer den eigenen Platz in dieser Welt klar. Und das ist nicht sehr schön.
„Nebelweber“ ist unstet. Es ist auch absichtlich disharmonisch. Es lässt einen lange warten und hält einen auch dann im Ungewissen darüber, was geschieht.
Manchmal ist Schmerz doch eine Lösung. „Feuer, Pein und Erlösung“ lautet der Titel eines weiteren Tracks. Obwohl man die Gleichwertigkeit von Lösung und Erlösung zumindest in Zweifel ziehen kann.
„Seelenfänger“ lautet der Name des letzten vorhandenen Titels. Es ist auch der Name des Rollenspiels, zu dem der Soundtrack komponiert wurde. Trotz eines bescheidenen Beginns schwingt sich dieser Titel zu epischer Größe auf, schafft es dabei trotzdem, auch die düsteren Aspekte der Welt mit einfließen zu lassen und muss sich vor so manchem Filmsoundtrack nicht verstecken.

Auch diesmal findet man das Album in einem stabilen Perlcase, es zeigt eine bedrohliche Situation und enthält auf den weiteren Seiten des Booklets passende Illustrationen. Thematisch musste sich Erdenstern diesmal jedoch einigen Einschränkungen unterwerfen lassen, das ist anhand der Tracks des Albums durchaus zu erkennen. Denn nur dreimal blitzt die Epik auf, die in anderen Spielwelten in überbordenden Massen vorhanden ist, was sich dann auch in der Musik widerspiegelt. Die Welt von „Seelenfänger“ ist düster, Helden gibt es kaum oder meist nicht sehr lange. Oder auch diese leben von Verwirrung und Täuschung. Insofern ist die Musik auf dem Band zwar sehr passend und auch gut gelungen, Erdenstern kann aber ihr volles Potenzial aufgrund der Thematik nie ganz entfalten. Wer jedoch nach dem perfekten Soundtrack für das „Seelenfänger“-Rollenspiel sucht, muss nicht weitersuchen.

„Immortalis“ ist der Beitrag von Erdenstern zur Rollenspielwelt von „Seelenfänger“. Sie stellen das Täuscherland und alles, was es ausmacht, musikalisch dar. Dabei halten sie sich so sehr an der Gestaltung der Welt, dass nur selten das Gewaltige und Epische aufblitzt, das man von Erdenstern kennt. Doch das ist in diesem Fall Absicht und auch gelungen. Melancholischen Seelen sollte man das Werk jedoch besser nicht vorspielen, es würde deren Stimmung nicht verbessern.

Tracklist:
01   Immortalis
02   Die andere Seite
03   Das Land des Täuschers
04   Das Dorf am Rande der Verdammnis
05   Säufer, Schurken und Verfluchte
06   Das Herz eines Helden
07   Der Nebel
08   Hexenreich
09   Auf dem Wege
10   Feenfürsten
11   Die Beschwörung
12   Das traurige Land
13   Nachtjäger
14   Das verfluchte Haus
15   Der Stamm der Barbaren
16   Tiefer, immer tiefer
17   Sie wollen doch nur deine Seele
18   Giganten
19   Nebelweber
20   Feuer, Pein und Erlösung
21   Seelenfänger

Details

  • Autor*in:
  • Erschienen:
    06/2018
  • Umfang:
    1 CD
  • Typ:
    CD
  • ASIN:
    B07DKYZBF5
  • Spieldauer:
    79:34 Minuten

Bewertung

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