Vegetarisch für Fleischesser

von Ansgar Pudenz, Bernd Arold, Rainer Schillings
Rezension von Janett Cernohuby | 12. Februar 2014

Vegetarisch für Fleischesser

Was im ersten Moment höhnisch und leicht provokant klingen mag, ist keineswegs so gemeint. Je mehr unser Bewusstsein für die Herkunft von Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, geschärft wird, desto mehr Menschen entscheiden sich für die vegetarische Küche. Dabei geht es nicht immer darum ein Tierleben zu retten, sondern auch um Protest gegen die Vorgehensweisen der Fleischindustrie. Andere hingegen wollen nicht ganz auf Fleisch verzichten und achten beim Kauf vermehrt auf dessen Herkunft. Wie bringt man aber beide Parteien an einen Tisch und zum gleichen Menü? Ohne, dass einer auf etwas verzichten muss, oder ein anderer etwas essen muss, das ihm wiederstrebt? "Flexitarian" heißt die Lösung und was das genau ist, erfährt man im Kochbuch "Vegetarisch für Fleischesser".

Amerikanische Hausfrauen und -männer kennen und praktizieren Flexitarisch schon lange. Sehr erfolgreich und zufriedenstellend für beide Seiten. Doch was genau verbirgt sich denn nun hinter diesem Begriff? Ganz einfach. In der flexitarischen Küche werden die Rollen von Fleisch und Gemüse vertauscht. Während in unseren Kreisen immer noch Fleisch die Hauptrolle bei einem Gericht einnimmt und Gemüse nur die Beilage darstellt, ist es in der flexitarischen Küche genau anders herum. Fleisch wird dort zu einer Beilage und das Gemüse tritt in den Vordergrund. So muss keiner mehr beim Essen zurückstecken. Wer kein Fleisch möchte, lässt dieses einfach weg und wem das Gemüse nicht ausreichend ist, der ergänzt sein Gericht um die Beilage Fleisch.
Doch wie sieht das nun konkret aus, insbesondere im vorliegenden Kochbuch?
Zusammen mit dem Koch Bernd Arold haben die Herausgeber dieses Buches abwechslungsreiche, bunte und vor allem moderne Rezepte gesammelt und sie nach Vorspeisen, Pasta, Suppen, Hauptgang und Dessert sortiert. Dabei wird jedes Gericht immer als vegetarisches Gericht vorgestellt. Fleisch ist bei allen Speisen (außer den Desserts, die gänzlich darauf verzichten) lediglich eine Beilage, die man entsprechend ergänzen oder weglassen kann. Welche Fleischsorten zu den jeweiligen Gerichten passen, wird hier als Tipp vorgeschlagen. Entsprechende Anleitungen wie man Rind, Geflügel, Fisch, Lamm und Schwein zubereitet, gibt es auf entsprechenden Themenseiten.
Die besondere Herausforderung bei der flexitarischen Küche ist nicht etwa der Rollentausch von Fleisch und Gemüse, sondern das richtige Timing. Alle Bestandteile eines Gerichts sollen ja schließlich gleichzeitig serviert werden, ohne, dass das Gemüse zerkocht ist. Es gilt also, die Garzeiten den vegetarischen Gerichten anzupassen. Wer das einmal verinnerlicht hat, dem steht auf seinem Weg zum perfekten Flexitarian nichts mehr im Weg.

Wer zu einem Buch des 99 Pages Verlag greift, der weiß, dass er hier weder ein gewöhnliches noch ein durchschnittliches Kochbuch in den Händen hält. Auch die Speisen sind oftmals neue Kreationen, die es in dieser Form noch nicht gab. Das trifft auch auf "Vegetarisch für Fleischesser" zu. Denn mit dem Szenekoch Bernd Arold rocken die Autoren nicht nur die Küche, sondern auch das Kochbuch. So tragen die im Buch vorgestellten Gerichte nicht nur Namen wie etwa "Stachelbeer-Linsen-Lasagne mit BBQ-Tamarillo-Dip" sondern auch einen dazugehörige musikalische Titel, im genannten Beispiel "Born to be wild". Es ist dieser musikalische Titel, der dem Leser bei einem Gericht zuerst auffällt. Sofort klingt einem die Melodie im Ohr und man entwickelt schon seine erste Beziehung zum Gericht. Ein sehr in Szene gesetztes Foto - Speisen werden hier nicht wie gewöhnlich auf Tellern angerichtet dargestellt - tut sein übriges. Zum Glück ist die Anleitung dann aber in gewohnter Weise geschrieben: ein Block mit den benötigten Zutaten und daneben eine schrittweise Kochanleitung.
Diese Anleitungen sind nicht nur durch Angaben zu möglichen Fleischbeilagen ergänzt, sondern enthalten auch Getränkeempfehlungen. Weine aus Spanien, Frankreich, Deutschland und Österreich werden hier ebenso nahegelegt, wie auch einmal ein gewöhnliches Bier oder ein Bourbon mit Cola und Eis. Bei der Präsentation der Gerichte stimmt also alles: das Optische, das Inhaltliche aber auch die Extras.
Fleischesser und Vegetarier zu vereinen oder schwieriger noch, als Gastgeber für beide zu kochen, ist immer eine Herausforderung. Meistens sind es dann die Vegetarier, für die man sich weniger Mühe gibt und denen man schnell irgendein Gericht zusammenrührt. Mit diesem Kochbuch sind diese Zeiten nun vorbei, denn hier kocht man in erster Linie für beide Gruppen gleichzeitig. Ob man dann das Gericht um fleischliche Beilagen ergänzt, bleibt letztendlich den Gästen und nicht mehr dem Gastgeber überlassen.

Somit ist "Vegetarisch für Fleischesser" alles andere als ein Hohn auf fleischlose Küche. Im Gegenteil. Dieses Kochbuch schlägt eine Brücke zwischen beiden Seiten. Es vereint diese gegensätzlichen Küchen und bringt beide mit dem gleichen Gericht an einem Tisch zusammen. Natürlich sind die in diesem Kochbuch vorgestellten Speisen nichts für den Alltag, sondern zum einen für begeisterte Hobbyköche und zum anderen für Gourmets. Aber die Idee dahinter lässt sich locker in den Küchenalltag übernehmen. Von uns erhält dieses Buch auf jeden Fall die Note sehr gut. Es ist ein Muss für alle Kochfreunde mit Liebe zum Besonderen und natürlich vegetarische Fleischesser.

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