Franz Josephs Land

von Martin Haidinger
Rezension von Gabriel Zupcan | 12. Mai 2016

Franz Josephs Land

Im Jahr 1872 entdeckten die österreichischen Polarforscher Weyprecht und von Payer im Nordpolarmeer ein Archipel, das sie dem Kaiser zu Ehren „Franz-Josef-Land“ tauften. Selbiger dürfte sich um einige eingefrorene, unzugängliche Inseln am Ende der Welt nicht viele Gedanken gemacht haben. Doch um diese geht es in diesem Buch auch nicht. Mit „Franz Josephs Land“ ist natürlich vorrangig das Gebiet der heutigen Republik Österreich und seine lange Geschichte gemeint.

„Eine kleine Geschichte Österreichs“ suggeriert der unauffällige Untertitel. Das mag in Anbetracht der Ambitionen auch richtig sein. Die Geschichte Österreichs auf etwas über 300 Seiten zu halten ist durchaus als „klein“ einzustufen. Dennoch haben wir hier ein ordentliches Sachbuch vor uns, das einiges an Lesestoff bietet. „Kleine“ Geschichten diverser Länder und Gebiete sind oftmals im Geschichte-Regal von Buchhandlungen anzufinden, da sie einen einfachen und möglicherweise auch unterhaltsamen Überblick in die Materie bieten wollen. Abseits von allen Fußnoten und Literaturverweisen. Dank des im cartoonigen Covers jedoch weiß man zunächst nicht so richtig, was man hier vor sich hat. Dort starrt der gute Kaiser Franz Joseph in seiner archetypischen Jägertracht durch ein Fernglas auf einen nahen Greis, der in Kleidung eines rauhen Naturburschen daherkommt. Der dezent aus seinem Rücken ragende Pfeil legt nahe, dass es sich um den sogenannten „Ötzi“, also jene berühmt gewordene Eismumie die gerne als der „erste“ Österreicher herhalten muß, handelt. Genauso gut könnte es aber auch ein karpatischer Hirte aus der Zeit Franz Josephs sein, der diesem mindestens ebenso exotisch erschienen wäre. Hoffentlich war diese Doppeldeutigkeit auch die Intention des Autors.

Schlägt man das Buch auf, erklärt einem das Inhaltsverzeichnis und der Autor im Vorwort, dass es sich hier um kein Satirewerk oder ähnliches handelt. Vielmehr soll tatsächlich die Geschichte Österreichs von der Urzeit bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (und gleichzeitig unserer backenbärtiger Majestät) durchgekaut werden. Das jedoch in einem lockeren Tonfall und zudem mit einem Augenmerk darauf, berühmte und lieb gewordene Klischees über die Geschichte Österreichs etwas zu entsorgen. Sehr wohlwollend nimmt man diese Ankündigung des Autors Martin Haidinger, seines Zeichens Historiker und Journalist, zur Kenntnis. Wie überall auf der Welt steckt auch das österreichische Geschichtsverständnis voller Mythen und Missverständnisse, die sich über die Jahre festgesetzt haben. Angefangen von der Sissi-Franzl-Romantik über Wolferl Mozart bis zur Glorie der Habsburger, die sich alles zusammengeheiratet haben und (so gut wie) nie Krieg führten.

Haidingers Erzählart ist flott und stellenweise durchaus flapsig, jedoch wird es (gottseidank) nie allzu jovial oder gar niveaulos. Also genau das, was man von dieser Art lockerer Aufbereitung der Jahrhunderte erwarten würde. Der Autor beginnt brav „von Anfang an“, leistet sich jedoch stellenweise einige Sprünge, indem er etwas nach vorne greift, nur um kurz danach mächtig auszuholen und alles ganz genau zu erklären, was er eigentlich übersprungen hat. Eine Technik die Spannung erzeugen soll, und es sicherlich bei vielen Lesern wird. Jemand der mit der Geschichte Österreichs halbwegs vertraut ist, sollte hier aber keine großen Überraschungen erwarten. Es wird nicht jeden schockieren, dass 1618 in Prag einige Staatsdiener aus dem Fenster geworfen wurden, was weitreichende Folgen hatte.
Das für das Verständnis erforderliche Grundwissen muss prinzipiell nur wenig oder gar nicht vorhanden sein, denn das setzt der Band nicht voraus, aber an einigen Stellen wird man vielleicht ein wenig das Lexikon zu Rate ziehen müssen, wenn das Schulwissen nicht mehr ausreicht. Ganz trivial geht es hier nicht zu, das gebietet schon der Respekt vor der Materie. Ebenso behält es sich der Autor vor, an einigen Stellen sehr sarkastisch (man möchte fast sagen „typisch“ österreichisch) seine Meinung kund zu tun, was durchaus zu begrüßen ist. Es braucht einer gewissen scharfen Durchleuchtung, um manche Zusammenhänge erkennen zu können. Zu Ende geht es sogar wieder zu Anfang recht persönlich zu, wenn der Autor in die eigene Familiengeschichte zurückgreift. Ein interessanter Aspekt, der im Leser vielleicht den Ansatz weckt, sich über seine eigenen Vorfahren Gedanken zu machen.

Mit den Österreich-Mythen im Kopf kann Haidinger gewiß bei vielen Lesern aufräumen. Geschichtlich versierte werden hier nicht wirklich etwas bahnbrechend Neues finden. Aber eine amüsante und flotte Repetition der österreichischen Geschichte kann ja hin und wieder nicht schaden.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2016
  • Umfang:
    320 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783990500286
  • Preis (D):
    24,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor: