Poseidons Kinder

Duplikat

von Alastair Reynolds
Rezension von Stefan Cernohuby | 06. Mai 2017

Duplikat

Wie ist es, wenn man nicht allein im Universum ist? Und in diesem Fall bezieht sich die Frage nicht auf andere intelligente Lebewesen, sondern tatsächlich auf den Menschen, das Ich selbst. Wie wäre es, wenn es einen selbst mehrfach gäbe? Wie würde jede Version von einem leben und vor allem – würden alle die gleichen Entscheidungen treffen? Dies ist unter anderem ein Thema von „Duplikat“, einem Roman von Alastair Reynolds.

Viel Zeit ist vergangen, seit Eunice Akinya das Tor zu den Sternen aufgestoßen und mit ihrem Schiff das Sonnensystem verlassen hat. Und doch ist ihre Familie immer noch an allen Fronten sehr aktiv. Besonders ihre Enkelin Chiku hat einen sehr schwierigen Weg gewählt. Sie hat ihren Geist und ihren Körper aufgespalten und führt drei unterschiedliche Leben, die sie in unregelmäßigen Abständen wieder synchronisiert, sobald sie ihre Erinnerungen an die anderen weitergeben kann. Und das ist schwierig. Denn Chiku Grün begleitet eine Flotte aus Holoschiffen mit Siedlern, die auf dem Planeten Crucible eine neue Heimat finden wollen, wobei sie sich immer wieder „Auszeiten“ nimmt, also gewissermaßen Zeit im Kälteschlaf verbringt – während das zentrale Problem der Reise, nämlich der Abbremsvorgang auf später vertagt wird. Chicu Rot hat sogar eine noch schwierigere Aufgabe. Sie soll Eunice in ihrem Schiff folgen und sie bergen. Chicu Gelb soll hingeben im Sonnensystem bleiben und die Entwicklungen auf Erde, Mond und Mars weiterverfolgen. Und das ist nötig, denn die Maschinenintelligenz Arachne, die entstand um das gewaltige Teleskop „Okular“ zu steuern, hat große Teile aller technischen Systeme unterwandert – was Maschinen plötzlich zu Gefahrenquellen macht. Etwas, wovon auch Chiku Grün auf der „Sansibar“ erfährt, als sie in einer geheimen Kaverne auf einen Roboter stößt, der einen Teil der Persönlichkeit von Eunice Akinya besitzt. Eine Person – in drei Körpern – muss Entscheidungen treffen, die für den weiteren Fortbestand der Menschheit von großer Bedeutung sind.

Eine Geschichte, die sich mit dem Aufbruch der Menschheit zu neuen Welten und in ein neues Zeitalter beschäftigt, braucht ihre Zeit. Das bekommt man als Leser von „Duplikat“ – im englischen Original übrigens unter dem Titel „On the Steel Breeze“ erschienen – deutlich zu spüren. Man weiß an einer Stelle des Buchs, dass die einzige Möglichkeit, dass sich bei dem Handlungsstrang etwas bewegen könnte, wäre, dass die Protagonistin sich in Kälteschlaf begibt. An dieser Stelle sehnt man sich diesem Moment tatsächlich entgegen. Erst später im über 700 Seiten langen Werk kommt mehr Bewegung in die Angelegenheit und der Autor schafft es, mit einigen interessanten Wendungen im Plot zu punkten und mit intelligenten Elefanten zu amüsieren. Ohne zu sehr auf die Details einzugehen, steigert sich der Roman mit jedem Drittel. Das letzte Drittel des Romans ist es, welches den Leser neugierig darauf macht, wie weit die Handlung noch in die Zukunft vordringen wird. Glücklicherweise bewahrheitet sich die Befürchtung nicht, dass ein Teil der Handlung, der ein wenig an Chasm City erinnert, von Reynolds selbst abgekupfert wird. In diesem Roman haben ebenfalls ein Pulk von Generationenschiffen und ihr Bremsmanöver eine große Rolle gespielt. Das hätte „Duplikat“ möglicherweise den Todesstoß versetzt. So bleibt letztendlich ein Werk zurück, bei dem man trotz aller Längen wissen will, wie die Geschichte endet. Diesbezüglich muss man wohl auf „Enigma“, den dritten Band der Reihe warten.

„Duplikat“ ist der zweite Band einer weiteren Trilogie von Alastair Reynolds, die mit „Okular“ ihren Anfang genommen hat. Trotz einer interessanten Idee für die Rahmenhandlung besitzt das Werk etliche Leerläufe, die erst im finalen Drittel des Romans aufhören. Fans und Kenner werden dem Werk sicherlich mehr abgewinnen können als Quereinsteiger. Man darf sich trotzdem auf den finalen Teil der Reihe freuen.

Details

Bewertung

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