Das Erwachen

von Andreas Brandhorst
Rezension von Stefan Cernohuby | 02. Oktober 2017

Das Erwachen

Das Geheimnis guter Science-Fiction ist, dass die Handlung zwar in der Zukunft angesiedelt ist, deren erzählerischer Kern dem Leser und dessen Realität aber tatsächlich näher liegt als erwartet. Auch der deutsche Schriftsteller Andreas Brandhorst, der sich bisher hauptsächlich im Bereich Space Operas betätigt hat, hat mit seinem aktuellen Roman „Das Erwachen“ einen neuen Weg eingeschlagen. Das Werk dreht sich um das Thema Künstliche Intelligenzen und man kann nur hoffen, dass die Handlung nicht allzu bald Realität wird.

Axel Kron ist Geschäftsführer eines Unternehmens namens Starplay, einer Firma, die Spiele für Computer, Handys und AR-Brillen herstellt. Zumindest offiziell. Denn neben der legalen Beschäftigung ist er als Hacker mit dem Namen AK-47 tätig. Als er bei einer physischen Infiltration jedoch über einen Toten mit einem Datenstick und eine Frau mit einer Waffe stößt, ändert sich vieles. Gleichzeitig erhält Victoria Dahl ein brisantes Dossier über die Entwicklung und Weiterentwicklung von künstlichen Intelligenzen. Sie hat das Wissen darüber gerade verinnerlicht, als sie sich mit einem italienischen Politiker in einem Aufzug befindet und die Lichter ausgehen. Als Urheber wird ein Cyberterrorist namens Axel Kron identifiziert, dem man unter anderem auch Morde vorwirft. Tatsächlich hat er bei seinem letzten Auftrag als Hacker ein spezielles Infiltrator-Skript verwendet, das eine Kettenreaktion ausgelöst hat und gewissermaßen das Entstehen eines Supervirus begünstigt hat. Das glaubt man zumindest zu Beginn. Doch dann wird klar, dass es sich um eine Maschinenintelligenz im Anfangsstadium handelt, die sich rasend schnell entwickelt. Alle Wege scheinen nach Rom zu führen. Dort scheint sich ein zentraler Knoten der künstlichen Intelligenz zu befinden und dort will selbige auch mit ihrem Schöpfer sprechen, für den sie Axel Kron offenbar hält. Zahlreiche Geheimdienste und Fanatiker treten ebenfalls auf den Plan. Über allem schwebt die bange Frage, was passiert, wenn eine Maschinenintelligenz, die so gut wie alle Technologie kontrollieren kann, dem Menschen feindlich gesinnt ist.

Auch wenn das Szenario von „Das Erwachen“ selbstredend nach Zukunftsmusik klingt, sind die meisten der vorkommenden Elemente schon in ihren Keimzellen vorhanden. Andreas Brandhorst begibt sich schriftstellerisch auf ein neues Gebiet, in dem man besonders auf dem englischsprachigen Markt William Gibson als Vorreiter sehen kann. All seine aktuellen Romane basieren auf einem ähnlichen Konzept, sind jedoch weit weniger allumfassend als der neue Brandhorst. Und doch ist die KI-Forschung eines der am stärksten forcierten Forschungsgebiete, bei dem Institute, Regierungen und Großkonzerne ganz unterschiedliche Interessen verfolgen. Doch natürlich ist die – auf die eine oder andere Art – militärische Nutzung einer solchen Errungenschaft immer eine naheliegende Option. Andreas Brandhorst verpackt die möglichen Gefahren der Weiterentwicklung von KIs gekonnt in eine spannende Handlung, die zum Nachdenken anregt. Aus technischer Hinsicht ist lediglich der Grund fragwürdig, aus dem die Protagonisten nach Rom reisen – dieser klingt beinahe ein wenig anachronistisch für das Zukunftsszenario. Auch über das Ende könnte man zwar diskutieren, da man hier jedoch über ein fiktives Szenario spricht, ist auch ein derartiger Abschluss im Bereich des Möglichen. Für das Genre selbst hat Brandhorst ein mutiges Werk geschaffen, bei dem er gewiss eine Menge Recherche investieren musste und das dafür auch für das Thema sensibilisiert.

„Das Erwachen“ ist ein zukunftsweisender Science-Fiction-Roman von Andreas Brandhorst, der sich mit dem Thema Künstliche Intelligenzen auseinandersetzt. Obwohl das Werk natürlich fiktiv ist, existieren viele der erwähnten Technologien und Forschungsprojekte bereits und lassen mit Recht die Frage zu, ob die Menschheit tatsächlich bereit dafür wäre, sich die Welt mit potenziell intelligenteren Maschinen zu teilen. Andreas Brandhorst beantwortet diese Frage auf seine Weise. Kenner seiner Romane und Science-Fiction-Leser sollten hier unbedingt zugreifen.

Details

Bewertung

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