Der Siebenschläfer

von Dagmar Formann
Rezension von Stefan Cernohuby | 22. Dezember 2017

Der Siebenschläfer

Wir Menschen haben mit vielen Situationen im Leben Probleme. Manche von ihnen schiebt man lange vor sich her und ignoriert sie, bis man sich unweigerlich doch mit ihnen konfrontiert sieht. Das Altern und Sterben in Würde sind sogar zwei Dinge, über die man ungern nachdenkt. Fotografin, Logopädin und Psychotherapeutin Dagmar Formann widmet sich in ihrem Werk „Der Siebenschläfer“ diesen Themen.

Einst war er selbst Doktor, ein Kinderarzt, nun ist er ein Pflegefall. Bei allem muss ihm seine Frau helfen, während er sich in seinem Bett wundliegt. Er hat sich gegen die Korrekturoperation an seiner Wirbelsäule entschieden und auch gegen die Parkinson-Medikamente, die ihm sein Hausarzt verschreiben will. Der Hausarzt, der ihn immer ganz süffisant „Herr Kollege“ nennt. Seine Frau ist zwar da, aber immer ruppig, immer widerwillig, so kommt es dem Doktor vor. Trifft sie sich heimlich mit anderen? Und wer ist der Mann, der sich da hinter dem Farn versteckt? Seine einzige Freude ist der Siebenschläfer, der im Baum vor seinem Fenster zu wohnen scheint. An guten Tagen kann er ihn sehen, an schlechten sieht er jedoch auch überall Ratten und Fledermäuse. Als er nach einem langwierigen Krankenhausaufenthalt nachhause zurückkehrt, hat seine Frau wieder zu rauchen begonnen. Aber es gibt auch einen Lichtblick. Es gibt eine Pflegehelferin. Keine aus Jugoslawien, wie er befürchtet hat, sondern aus Kirgistan. Eine Magistra der Germanistik, die immer nett zu ihm ist. Und zum ersten Mal verspürt er wieder den Wunsch, mehr zu tun als nur herumzuliegen und eine Schlaftablette nach der anderen zu schlucken. Und auch wenn sein Wunsch noch einmal Skifahren zu gehen, sich nicht mehr erfüllen wird, hat er dennoch ein Ziel und etwas, was er sich vornimmt...

Es ist sicherlich nicht einfach, ein Buch wie „Der Siebenschläfer“ zu schreiben. Befindet man sich am (gefühlten) Höhepunkt seines Lebens, seiner Gesundheit und seines Verstands, will man eigentlich keinen Gedanken an die Zeit verschwinden, wo das nicht mehr der Fall ist. Dagmar Formann tut dies für den Leser, in sehr eindringlicher Form und ohne falsche Gnade oder Zurückhaltung. Zum Glück aber mit dem einen Funken Hoffnung, dass es zu diesem Zeitpunkt für Jedermann jemanden gibt, der trotz eines desolaten körperlichen und wechselhaften geistigen Zustands nett zu einem ist. Etwas problematisch und störend entwickeln sich im Buch selbst die Perspektivwechsel, die mitunter in der Mitte von Kapiteln und von einem Absatz auf den anderen erfolgen. Das ist etwas, das den Leser ein wenig aus dem Lesefluss werfen kann. Und natürlich ist es auch kein Buch für jeden. Denn um sich mit der Materie zu beschäftigen, muss man entweder bereit sein, weit über den Tellerrand der eigenen Komfortzone zu blicken oder sich mit der Thematik als solcher bereits regelmäßig auseinandersetzen. Dem Werk selbst ist das nicht abträglich, das trotz seiner Kürze – das Buch hat unter 200 Seiten – all das an den Leser anbringt, was für den Inhalt notwendig ist.

„Der Siebenschläfer“ von Dagmar Formann ist kein spannendes, actionreiches und auch kein allzu humorvolles Buch. Das würde dem Fokus widersprechen, der hauptsächlich auf dem Protagonisten liegt: einem kranken, sterbenden alten Doktor. Da hier die Sicht des Kranken jener der betroffenen Verwandten gegenübergestellt wird, ergibt sich eine sehr beklemmende Atmosphäre. Das Buch erzählt eine fast alltägliche Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Über sich selbst und über seinen eigenen Umgang mit der Materie.

Details

Bewertung

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