Warhammer Fantasy

Spieler-Handbuch

von Christian T. Petersen
Rezension von Stefan Cernohuby | 04. Januar 2012

Spieler-Handbuch

Im Normalfall ist ein Versionssprung bei einem Rollenspielsystem eine mehr oder weniger sanfte Überarbeitung des bisherigen Mechanismus - im Idealfall ist sogar die Möglichkeit vorhanden, Charaktere zu konvertieren. Doch es gibt auch andere Fälle. In diesen wird ein bestehendes System komplett verworfen um ein völlig Neues einzuführen. Das "Warhammer Fantasy Rollenspiel" ist nun in der dritten Edition erschienen und auf den ersten Blick scheint kein Stein auf dem anderen geblieben zu sein.

Schon zu Beginn des Werks wird drauf hingewiesen, dass ein Abschnitt im Buch existiert, der es einem ermöglicht, das Spiel auch auf "konventionellere Weise" zu spielen. Ein Satz, der den Rollenspielveteranen schon ein wenig mulmig werden lässt. Zudem geht das Werk nicht von einem Minimum an Ausstattung aus, sondern im Gegenteil davon, dass der Spielleiter nicht nur Spezialwürfel sondern auch bereits Spielleiter-Handbuch, Kreaturen-Handbuch, Spieler-Arsenal, Spielleiter-Arsenal und Kreaturen-Arsenal besitzt. Eine etwas kühne Annahme.
Zuerst wird ein kurzer Überblick über die aktuelle Situation der Welt geboten und das Grundprinzip des neuen Spielmechanismus vorgestellt, beispielsweise die Unterscheidung zwischen Erzählmodus und Begegnungsmodus - mit einer obligatorischen "Wie funktioniert Rollenspiel"-Erklärung. Dann folgen eine kurze Zusammenfassung der Kapitelinhalte und ebenso eine Auflistung der (benötigten) Spielkomponenten.
In Kapitel 1 wird erklärt, wie Werte und Fähigkeiten funktionieren. Viele grundsätzliche Werte sind ähnlich wie in anderen Rollenspielen, Besonderheiten wie Verderbenslimit oder Schicksalspunkte werden erst einmal erklärt. Für Veteranen muss man hier auf Talente und Fertigkeiten nicht näher eingehen, dafür aber auf spezielle Neuerungen wie den Gruppenbogen. So kann man für seine Truppe und ihre Zusammensetzung eigene Vor- und Nachteile bestimmen, was auch in speziellen Gruppenfähigkeiten, einem eigenen Schicksalspunktevorrat und einer sich laufend ändernden Gruppenanspannung resultiert.
Kapitel 2 erläutert mögliche Spielerrassen, also Menschen, Zwerge und zwei unterschiedliche Elfenrassen, während sich Kapitel 3 der Charaktererschaffung widmet. Ein Charakter setzt sich aus Rasse, Karriere und seinen Eigenschaften zusammen. Von den Werten leiten sich die Würfel ab, die der Spieler ins Spiel bringt. Und hier ist auch der augenscheinlich größte Unterschied zu den bekannten Rollenspielmechanismen. Gewürfelt wird nicht mehr mit den üblichen verschiedenwertigen Würfeln, wobei man versucht einen Erfolgswert zu über- oder unterwürfeln. Hier zeigen die sechs-, acht- und zehnseitigen Würfel verschiedene Symbole an, die entweder simpel Erfolg (Hammer) und Misserfolg anzeigen oder aber bestimmte sekundäre positive oder negative Auswirkungen haben. Das als kleiner Exkurs, denn die übrigen Schritte zur Charaktererschaffung dienen vor allem dazu, ihm selbst den letzten Feinschliff zu verpassen und auf die Gruppe einzustimmen. Das darauffolgende Kapitel erklärt kurz wie Steigerung und Karrierewechsel funktionieren.
Kapitel 5 heißt "Das Spiel" und führt nun an, wie das Würfeln allgemein und im Speziellen funktioniert. Eine genaue Behandlung dieses Kapitels würde den Rahmen sprengen, jedoch soll auf ein Detail eingegangen werden. Man hat nämlich die Möglichkeit, in Situation verschiedene Haltungen einzunehmen. Vorsichtig, neutral und waghalsig. Je nach Vorgehensweise ändert das einen Teil der verwendeten Würfel und ermöglicht deutlichere Erfolge, aber auch spektakuläreres Scheitern - wenn die Veranlagung des Charakters das erlaubt. Von Seiten des Spielleiters kommen noch andere Würfelpools, so wie "Glücks-" und "Pechwürfel", dazu. Auch den Einsatz verschiedener Aktionskarten und von Manövern kann man hier kennenlernen.
Kapitel 7 beschreibt die Unterschiede von Erzähl- und Begegnungsmodus, die folgenden Kapitel behandeln Kampf, Schaden und Heilung sowie Zustände und Effekte, die ein Charakter durchlaufen kann - maßgeblich konzentriert man sich dabei auf Wahnsinn. Nach einem interessanten Kapitel über Wirtschaft und Ausrüstung geht es mit den Magieregeln für das ganze Spiel wieder richtig zur Sache. Zum einen wird klar, was die Unterschiede zwischen gelernten Magiern und Dilettanten ausmacht, zum anderen wird der Mechanismus erklärt. Im Grunde ein einfaches System, das in etwa gleich funktioniert wie auch die "Göttlichen Regeln" im Folgekapitel.
Das 13. Kapitel bietet einen kurzen Überblick über das Imperium, der allerdings wirklich nur für Einsteiger geeignet ist. Nach einer kurzen Erläuterung, wie man auch loslegen kann ohne alle Spielmaterialien zu besitzen, erreicht man mit dem ersten Anhang einen wichtigen Abschnitt für alle, die auf der Suche nach der richtigen Karriere sind. Denn hier werden alle Karrieren des Grundregelwerks vorgestellt. Die weiteren Anhänge enthalten Tabellen, Spezialkarten und alles, was man schnell nachschlagen können muss. Zu guter Letzt gibt es eine Bonusgeschichte von Graham McNeill, die sich um einen Rattenfänger dreht.

Steht man vor einem völlig geänderten Konzept eines Rollenspiels, stellt man sich natürlich zuallererst die Frage: War das wirklich notwendig?
Im Fall des Warhammer Fantasy Rollenspiels kann man diese Frage getrost mit "Nein!" beantworten. Getan wurde es dennoch, vermutlich weil man sich von zahlreichen bereits ähnlich gearteten Produkten absetzen wollte, zumindest vom Spielsystem her. Das ist definitiv gelungen. Der Spielmechanismus ist definitiv als "anders" zu bezeichnen. Doch das birgt auch einige Gefahren. Gerade der Einsatz der Aktionskarten und vielen neuen Spielmaterialien wird viele Skeptiker aufmerken lassen und das System schon in eine "anstrengende" Kategorie bugsieren, ohne dass es jemals in Augenschein genommen wurde. Vor allem anderen ist aber für das neue Warhammer-System augenscheinlich, dass man hier versucht hat, so viel wie möglich zu konsolidieren. Und gleichzeitig wollte man auch einen Anstrich loswerden, der Warhammer immer schon begleitet hat: Rassismus.
Was im Normalfall positiv klingt, ist für eine Welt, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es nicht "Licht und Schatten" gibt, sondern maximal "Zwielicht und Dunkelheit", eher kontraproduktiv. So wird in den Beispielen für den neuen Spieler unter anderem eine Abenteurergruppe angeführt, die aus Menschen, einem Elfen und einem Zwerg besteht.
"Natürlich", werden High Fantasy-Fans sagen. "Wie üblich, toll."
"So ein Schwachsinn", sagen dagegen klassische Warhammer-Spieler. "Elfen und Zwerge ertragen sich maximal ein paar Stunden, bevor sie sich gegenseitig den Kopf einschlagen."
Von den schwindenden Zahlen der Elfenbevölkerung einmal ganz abgesehen ist das Warhammer-Setting einfach keines, in dem man wie im "Herrn der Ring" einfach alle Vorurteile über Bord wirft und danach für immer die besten Freunde hat. Warhammer lebt von seinen Vorurteilen, dem schnellen Ruf "Verbrennt ihn!" bei der ersten sichtbaren Magieanwendung und den völlig übertriebenen Aktionen von Hexenjägern oder Priestern. All dieser "Grim & Perilous"-Faktor wird in jenem Regelwerk, das sich vom schwach aufgearbeiteten Hintergrund her an alle richtet, die lieber schnell spielen als viel wissen wollen, stark zurückgedrängt. Dementsprechend ein klares Plus für den Würfelmodus, eine neutrale Haltung gegenüber der vielen Zusatzkarten, aber ein dickes Minus für die Einführung und die Präsentation der Welt und das, was sie ausmacht.

Zusammengefasst kann man für die dritte Edition des "Warhammer Fantasy Rollenspiels" mehrere Punkte festhalten. Es wurde mit dem Würfelmodus ein ziemlich unbestechlicher und leicht regulierbarer Mechanismus für Proben und Vergleichstests geschaffen, der klar als positiv zu bewerten ist. Der Einsatz der vielen zusätzlichen Karten und der gewissermaßen verpflichtende Kauf dreier weiterer Regelwerke mag von manchen schon ein wenig skeptischer beurteilt werden, ist aber in den Augen unserer Redaktion neutral zu bewerten. Die Art und Weise, wie man das Spiel und die Welt selbst darstellt wird jedoch dem klassischen Warhammer nicht gerecht. Dabei kostet das Werk allein bereits rund 35 Euro, wobei die übrigen Anschaffungskosten auf jeden Fall zumindest weitere 50 Euro betragen werden. Hier muss jeder Spielleiter selbst entscheiden, ob ihm das der Preis wert ist.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Spieltiefe:

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