No More Bullshit


Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten
von Sorority e.V. (Hrsg.)
Rezension von Elisabeth Binder | 02. Mai 2019

No More Bullshit

Mit 18 Beiträgen von insgesamt 23 AutorInnen, die dem feministischen Netzwerk "Sorority" angehören, liegt jetzt nach einer Veranstaltungsreihe gleichen Namens eine alltagspraktische Handreichung zum Thema Seximus dies- und jenseits von Stammtischparolen vor.

Nach einer kurzen Gebrauchsanleitung, die hauptsächlich erklärt, warum sich "Sorority" entschlossen hat, das diskussionsverhindernde Wort "Bullshit" überhaupt in den Buchtitel aufzunehmen - nämlich, weil manchmal einfach gegen Allgemeinplätze mit sexistischer, rassistischer oder sonst wie klassifizierender Schlagseite ein deutlicher Einspruch notwendig ist -, geht es im ersten Teil um die Identifizierung und Entlarvung von Bullshit im Allgemeinen. In den vier kurzen Kapiteln sucht man vergeblich nach einer grundlegenden Arbeitshypothese, was denn nun unter Bullshit zu verstehen ist. Am ehesten lässt sich herauslesen, dass es sich dabei um verkürzte und vereinfachende Welterklärungen handelt, in die sich die gefühlte Bedrohung der eigenen Position und Person mischt (Achtung: Opfer!). Bullshit tritt meistens nicht einzeln auf, sondern sorgt für ein wohliges Gruppengefühl. Es ist daher fragwürdig, ob die im ersten Kapitel angesprochenen fünf Strategien gegen Bullshit überhaupt Wirkung zeigen, setzen sie doch allesamt einen rationalen Diskurs und eine Bereitschaft zum Zuhören beim Gegenüber voraus. Interessanter wird es beim anschließenden Kapitel über die subtilen Formen des Bullshits, also Taktiken, die ganz bewusst eingesetzt werden, um die zuvor beschriebenen Gegenstrategien zu unterlaufen, zu beobachten tagtäglich auf Pressekonferenzen oder Talkshows. Auch an dieser Stelle werden Handlungsanweisungen präsentiert, wie man den subtilen Bullshit demaskiert. Das dritte Kapitel ist ein Ausflug in die feministische Wissenschaftsphilosophie der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Da geht es dem Wahrheitsanspruch an den Kragen, den der Bullshit für sich als exklusiv und absolut beansprucht, zumindest in den Köpfen seiner VertreterInnen. Zuletzt folgt noch eine kritische Betrachtung der Rolle von Metaphern (sprachwissenschaftlich ist man jetzt im frühen 21. Jahrhundert angelangt) und medialen Deutungsmonopolen. Konsequenterweise müsste an dieser Stelle auch vor der eigenen Haustüre gekehrt werden: Die zentrale Metapher, die 30 Seiten zuvor verwendet wurde, dreht sich um das "Schlagen", denn laut Gebrauchsanweisung enthält das Handbuch Argumente zum "Nachschlagen - und Zurückschlagen. Verbal, natürlich." (Seite 9)

Der zweite Teil nimmt sich dann 15 konkrete passiv-aggressive Bullshitaussagen zur Entkräftung vor, die aus dem handelsüblichen alltagssexistischen Repertoire stammen, wie beispielsweise "Qualität statt Quote!". Die Herangehensweise an diese Aussagen ist so unterschiedlich wie die AutorInnen selbst. Das reicht von Cartoons über biographische Essays bis zu angenehm-nüchternen Auseinandersetzungen mit verfügbarem Zahlenmaterial. Die kurzen Artikel werden mit Illustrationen aufgelockert und in den meisten Fällen gibt es am Ende noch eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte. Die meisten der Artikel enthalten interessante Impulse zum weiter Nachdenken. Das Nachdenken ist auch nötig, weil die Inhalte nicht gleichermaßen für eine der anfangs erwähnten Strategien im Umgang mit Bullshit geeignet sind. Am besten funktionieren die Artikel, die sich eine sehr konkrete Fragestellung vornehmen wie beispielsweise die Statistiken rund um den Pay Gap oder die Quote in Aufsichtsräten von Unternehmen. Weniger gut funktionieren Artikel, die sich mehrfach auf Forschungserkenntnisse und Studien berufen, dann aber auf jegliche Quellenangaben verzichten, wie beispielsweise der Beitrag zum Thema "Frauen* wollen ja gar nicht in Führungspositionen" (Seite 134ff). Das fühlt sich dann gar nicht so unähnlich der Bullshit Taktik der "Autoritätssimulation" (Seite 25) an. Ein paar Tipps zu weiterführender Literatur hätten dem Buch sicher nicht geschadet, das wäre leicht möglich gewesen, ohne den Umfang des Buchs zu sprengen. Aber zumindest gibt es eine Seite Index, damit das mit dem Nachschlagen auch seine Berechtigung hat.

"No more Bullshit" ist kurzweilig zu lesen, erfüllt den Anspruch eines Handbuchs jedoch nur bedingt. Dafür sind die kurzen Beiträge dann doch etwas zu wenig systematisch und zu idiosynkratisch. Aber vielleicht ist das ohnehin der falsche Anspruch. Denn was die Anwendung der vorgeschlagenen Argumente und Handlungsanweisungen im Alltag betrifft, so erhält das Buch durchaus einige Hebelpunkte, mit denen sich der Bullshit in sichere Entfernung vom Stammtisch katapultieren lässt.

Details

Bewertung

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