Mister George

Mister George - Selby

von Hughes Labiano, Rodolphe, Serge Le Tendre
Rezension von Stefan Cernohuby | 15. April 2016

Mister George - Selby

Einige der geheimnisvollsten und spannendsten Geschichten ranken sich um Charaktere, über die man als Leser gar nichts weiß. Noch mysteriöser wird es, wenn die Protagonisten einer Geschichte sogar selbst nichts über sich wissen. So auch im Fall des französischen Comics „Mister George“ von Hugues Labiano, Rodolphe und Serge Le Tendre. Der erste Band des Zweiteilers ist im Februar bei Schreiber & Leser erschienen.

Ein Anfang, der gleichzeitig ein Ende darstellt. Ein roter Jaguar rast mit über 200 km/h den Highway entlang, kommt von der Straße ab, überschlägt sich. Mehr tot als lebendig wird der Fahrer geborgen. Man erfährt nur, dass derjenige, der den Unfall gehabt hat, einer wichtigen Persönlichkeit, mutmaßlich dem Präsidenten, viel bedeutet.
Dann springt die Handlung in eine Kleinstadt namens Selby, in Pennsylvania. Dort, wo jeder jeden kennt, hat George Price eine kleine Autowerkstatt. Für ihn ist das der perfekte Ort. Er lebt mit seiner jungen Frau zusammen, geht seinem täglichen Geschäft nach und erfreut sich seines Lebens, obwohl er von seiner Vergangenheit seit seiner Gehirnoperation kaum mehr etwas weiß. Nur ab und zu gibt es kleinere Einblicke. Er glaubt plötzlich, einmal einen Jaguar besessen zu haben, da er diesen ganz einfach reparieren kann. Schwiegervater Doktor Walt und seine Frau Tracy umsorgen ihn und er macht sich keine Gedanken. Bis er in dessen Praxis auf Dokumente stößt, die ihn betreffen – und die wie Geheimakten wirken. Zwar versucht man ihn zu beschwichtigen, aber sein Misstrauen ist geweckt. Und da ist auch noch eine Frau, die ihm offensichtlich folgt...

In der Geschichte, die um die Jahrtausendwende angesiedelt ist, gibt es wenige fixe Anhaltspunkte. Es geht um eine unruhige Zeit im Land, so viel ist sicher. Es gibt Anschläge, den Präsidenten und Agenten, die irgendwie in die Sache verwickelt sind. Inmitten dieses Szenarios findet man sich mit Mister George Price konfrontiert. Man weiß kaum mehr über ihn, als er selbst. So fühlt man mit ihm, während er um die Puzzleteile seines Verstandes ringt. Die Geschichte ist eindringlich und drückend – man fühlt, wie die Situation trotz seiner Unwissenheit auf dem Protagonisten lastet. Man spürt, dass er im Grunde selbst Angst davor hat, was er herausfinden könnte, wenn er weiter nachforscht. Und doch tut er es.
Die Illustrationen sind zweckgemäß. Sie sind nicht durchgehend düster, aber in dunkleren Farben gehalten – etwas, das sich auch steigert, je tiefer man in die Handlung vordringt. Aufgelöst wird die Spannung aber sicherlich erst im zweiten Band. Doch der erste bietet sehr überzeugende Gründe, sich jenen zweiten auch zuzulegen.

„Mister George“ beginnt sein Abenteuer in „Selby“, gleichzeitig auch der Titel des ersten Bandes des Zweiteilers. Das Werk von Hugues Labiano, das in Zusammenarbeit mit Rodolphe und Serge Le Tendre entstanden ist, schafft es, den Leser zu fesseln und in eine surreale Welt mitzunehmen, in der es keine Vergangenheit zu geben scheint. Wir würden den Protagonisten auf seiner Suche nach selbiger mit Sicherheit weiterbegleiten.

Details

Bewertung

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  • Illustration: