Schwarzes Blut
Wolfswahn
von Melanie Vogltanz
Rezension von Stefan Cernohuby
| 23. Oktober 2018
Auch lange Reisen gehen irgendwann zu Ende. Manche von ihnen beginnen aus Abenteuerlust, andere aus Neugier und wieder andere werden unternommen, um eine Aufgabe oder Mission zu erfüllen. Mit „Wolfswahn“, dem dritten und letzten Roman um den Hemykin Alfio in der Reihe „Schwarzes Blut“, schließt Melanie Vogltanz eine Reise durch viele Jahrhunderte ab.
In den 1920ern findet Dante, selbst ein Hemykin, seinen Schöpfer Alfio in einer Wiener Irrenanstalt wieder. Alle nennen ihn nur Weiß oder bezeichnen ihn als Patient mit der Nummer 62. Aber er ist nicht er selbst. Weder erinnert sich an seine Vergangenheit, noch ist er sich seiner eigentlichen Natur bewusst. Etwas, das Dante nicht akzeptieren will. Trotz der Hassliebe zwischen ihm und seinem Erschaffer ist das schwarze Blut, das sie teilen, eindeutig stärker als Wasser. Und mehr als das, er hat selbst noch eine Rechnung mit demjenigen offen, dem Alfio seinen aktuellen Zustand verdankt. Semjon Jaroslawitch, genannt Djávol – also Teufel – hat offenbar einen groß angelegten Plan mit allen verschiedenen Unsterblichen, sowohl Hemykin – Werwölfen – als auch Strigori – Vampiren. Aus irgendeinem Grund ist offenbar Alfio ein zentraler Bestandteil seines Plans. In Wien stoßen sie auf Doktor Rebecca Löw, die gleichzeitig Ärztin und Strigori ist, und die sie bei Heilungsversuchen unterstützt. Erst nachdem Alfio durch eine riskante Operation zumindest teilweise seine Erinnerung zurückgewinnt, machen Dante und Alfio langsam Fortschritte bei der Suche nach dem uralten Strigori. Doch nicht alles, was sie herausfinden, ist tatsächlich wahr. Ein gewaltiges Gespinst aus Lügen und Betrug droht allen zum Verhängnis zu werden.
Hat man sich im zweiten Band der Reihe vielleicht ein wenig darüber geärgert, dass der Protagonist über einen Großteil des Romans keinen wirklichen Antrieb besaß und sich von den Ereignissen nur so dahintreiben ließ, verdichten sich im finalen Band die Plotelemente massiv. Nicht nur Handlungsstränge aus den beiden direkten Vorgängerbänden, sondern auch aus der übrigen Reihe verflechten sich hier. Einige blinde Flecke werden endlich gefüllt, einige andere Erzählstränge lassen noch Enden offen. Und obwohl auch in „Wolfswahn“ der Protagonist nicht immer direkten Einfluss auf die Handlung ausüben kann, übernehmen das in seinen „Schwächephasen“ die Nebencharaktere. Auch wenn sich Dante immer wieder ein wenig rarmacht, schafft es vor allem Doktor Löw, den einen oder anderen Akzent zu setzen. Die Einbindung gerade erfolgter wissenschaftlicher Erkenntnisse, unter anderem auf Pawlow und Konditionierung bezogen, machen das Werk auch auf naturwissenschaftlicher Ebene interessant, obwohl man bei gewissen im Buch erfolgten neurologischen Eingriffen nur hoffen kann, dass reale Experimente nicht auf diese Art stattgefunden haben. „Wolfswahn“ stellt im Vergleich zu „Wolfswut“ eine deutliche Steigerung dar und bringt die Ereignisse zu einem befriedigenden Abschluss.
„Wolfswahn“ ist der dritte und letzte Roman rund um den Hemykin Alfio, gleichzeitig aber auch der letzte Band der Reihe „Schwarzes Blut“. Wobei man hier immer noch ein „vorerst“ einsetzen kann, denn das Werk würde durchaus einige mögliche Ansatzpunkte bieten, um eine Rückkehr in diese Welt zu ermöglichen. Hier hat man allerdings einen runden Abschluss eines Handlungsbogens, der sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt hat. Ein Werk, das man jedem Leser düsterer Phantastik nur empfehlen kann.
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