Open

von Andre Agassi
Rezension von Stefan Cernohuby | 12. März 2010

Open

Oft denkt man sich, das Leben von Stars oder erfolgreichen Spitzensportlern wäre die reine Freude. So viel Geld, hübsche Frauen und jede Nacht Partys - das kann nur hervorragend sein. Und jener Status oder jene Popularität werden eben durch ein kleinwenig Anstrengung und die eigene Liebe für den Sport aufrechterhalten. Allerdings ist das nicht bei allen der Fall, wie Andre Agassi in seiner Autobiographie "Open" klarstellt.

Man steigt in das Buch ein, als Andre Agassi das vorletzte Match seiner Profi-Karriere spielt. Er beschreibt, wie er sich noch einmal motiviert, obwohl er körperlich am Ende ist. Sein Rücken ist kaputt, seine Beine sind schwer, seine Arme schmerzen. Über zwanzig Jahre Profitennis fordern ihren Tribut. Doch trotzdem schafft er es, dieses Match gegen den aufstrebenden Marcos Baghdatis noch einmal zu wenden, denn noch will er nicht abtreten. Ein kleines Bisschen geht noch.
Nach diesem Kraftakt lässt Agassi sein Leben als Sportler noch einmal Revue passieren. Als Sohn eines iranischen Einwanderers wird sein Lebensziel schon mit drei Jahren von seinem Vater festgelegt. Er soll Tennisprofi, die Nummer Eins der Welt und Olympiasieger werden. Etwas, was sein Vater trotz einer Olympiateilnahme als Boxer selbst niemals geschafft hatte. Er baut mit eigenen Händen einen Tennisplatz für seinen Sohn, mitten in der Wüste vor Las Vegas. Er baut eine eigene Ballmaschine und treibt Andre mit allen Mitteln dazu an, aus sich das zu machen, was er für ihn geplant hat, obwohl dieser kein Interesse daran hat - nur Angst vor dem Vater. Nachdem sich Andre zu einem guten Jugendspieler entwickelt hat, sieht sein Vater ein, dass er ihm selbst nicht mehr beibringen kann. Also schickt er sein jüngstes Kind auf eine Tennisakademie, die eher einem Gefängnis ähnelt. Nachdem Andres Talent erkannt wird, verlässt er die Einrichtung für fast vier Jahre nur um Turniere zu spielen, anderorts zu trainieren und kurz seine Familie zu besuchen. Schon zu diesem Zeitpunkt beginnt er gegen Druck und Autorität zu rebellieren. Er färbt sich die Haare, schminkt sich, trägt Ohrringe und bizarre Gewandung bei Matches. Denn nach wie vor hasst er den Sport. Als er erstmals beginnt große Turniere zu spielen, ist er kurz davor alles hinzuwerfen und an seiner eigenen Persönlichkeit zu scheitern. Wie durch ein Wunder stellt sich gerade zu dem Zeitpunkt, wo er am Tiefpunkt ist, der Erfolg ein. Erfolg, der Geld bedeutet. Geld, das ihn von der Abhängigkeit seiner Familie befreien kann. Als er seinen Betreuer Gil kennenlernt, schließt er eine Freundschaft fürs Leben, die Beziehungen, eine Ehe und selbst sein Karriereende überdauern soll.

Diese und viele Begebenheiten mehr aus dem bewegten Leben des Tennisstars werden in dem über 500 Seiten starken Buch "Open" erzählt. Es geht auf und ab, je nachdem wie gut Agassi gerade damit zurecht kommt, dass er immer noch einen Job ausübt, den er hasst, ihn aber weiterführt, weil er nie etwas anderes gelernt hat.
Im Vorfeld der Berichterstattung wurde über dieses Buch geschrieben, es seine Drogenbeichte, eine Abrechnung mit allen anderen Spielern und vor allem ein Skandalwerk. Nichts davon ist wahr. Es stimmt, Andre Agassi schreibt einige Dinge über andere Spieler, die möglicherweise als etwas bösartig aufgefasst werden könnten. Er schreibt auch darüber, wie er selbst seinen Drogenkonsum gegenüber der ATP verschleiert hat und wie seine Beziehungen und Ehen in die Brüche gegangen sind. Doch sind das Skandale? Die Aussagen sind eher in Agassis Psyche und Persönlichkeit begründet, der einerseits schonungslos ehrlich seine Sichtweise vermittelt, andererseits aber ähnlich streit- und rachsüchtig sind, wie sein Vater. Nicht umsonst wurde ihm in Amerika auch der Spitzname "The Punisher" verpasst. Seine Seitenhiebe sind zum Teil auch seinem Neid zuzuschreiben, auf andere Tennisspieler zu treffen, die ihren Beruf lieben und daher ganz anders an die Angelegenheit herangehen. Das kommt sehr oft bei seinen teils negativen Beschreibungen seines "Erzfeindes" Pete Sampras zum Tragen.
Insgesamt ist das Buch eine dramatische Erzählung über die Hintergründe eines Lebens, die man dem einstigen "Paradiesvogel" nie angesehen hat. Diese Spannung begleitet den Leser über das gesamte Werk und man kann sich am Ende eigentlich nur freuen, dass es für den Tennishasser Agassi mit seiner Frau, Tennisgöttin Stefanie Graf, ein Happy-End gegeben hat.

"Open" ist ein Buch, das nicht nur Tennisfans fesseln kann. Die ambivalente Darstellung der Persönlichkeit eines Tennishelden, der seinen Beruf sein ganzes Leben hasst, ist hervorragend und authentisch. So gut wie nie hat man das Gefühl, dass künstliche Höhepunkte eingefügt wurden. Insofern ist Andre Agassis Autobiografie ein Werk, das vielleicht nicht jeden interessiert, aber dennoch das Potenzial dazu hätte - denn manchmal ist nicht alles so, wie man es sich denkt.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    11/2009
  • Umfang:
    592 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3426274914
  • ISBN 13:
    9783426274910
  • Preis (D):
    22,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
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  • Erotik:
    Keine Bewertung