Das Mona-Lisa-Virus

von Tibor Rode
Rezension von Manfred Weiss | 02. Mai 2016

Das Mona-Lisa-Virus

Schönheit ist ein spannendes Thema. In der Geschichte der Menschheit hat sich ihre Definition nahezu beständig gewandelt. Schönheit ist eine Art Mode geworden, die sich im zyklischen Rhythmus neu definiert. Wir bekommen von außen erklärt was schön ist und was wir schön zu finden haben. Und doch wohnt allen Menschen auch ein eigenes Verständnis von dem, was sie als schön empfinden, inne. In all diesem subjektiven Schönheitsempfinden gibt es einige wenige Dinge, die sich universal als schön definieren lassen. Wie beispielsweise die Mona Lisa von Leonardo da Vinci.

Und auf die Mona Lisa baut Tibor Rode sein neues Buch auf. Wobei die Mona Lisa natürlich auch als Sinnbild für die Schönheit steht, die das Grundthema des Thrillers ausmacht. Eigentliche Hauptheldin des Buches ist jedoch Helen Morgan, eine Bostoner Wissenschaftlerin, die sich mit dem neuen Forschungsgebiet der Neuroästhetik beschäftigt. Ihre Tochter Madeleine ist magersüchtig und stationär in einer Klinik in Behandlung. Bis Helen die Information bekommt, dass sie von dort verschwunden ist.
Zur selben Zeit verschwindet in Mexiko ein Bus mit Schönheitsköniginnen, die sukzessive durch Operationen entstellt wieder auftauchen. Gleichzeitig breitet sich ein Computervirus aus, der alle Bilddateien angreift und die Darstellungen verzerrt. Und weltweit setzt ein rasches dramatisches Bienensterben ein. Dann melden sich die Entführer von Madeleine. Auf der Suche nach ihrer Tochter macht sich Helen Morgan auf den Weg nach Polen, wo sie die Lösung für das Verschwinden von Madeleine vermutet. Nicht wissend, dass sie damit in das Zentrum einer dunklen Verschwörung gerät, die möglicherweise bereits viele hundert Jahre davor ihren Anfang genommen hat.

Schon die kurze Inhaltsangabe auf dem Klappentext des Buches ist atemberaubend. Bienensterben, Computerviren, Schönheitsköniginnen, Entführungen, Mona Lisa und das alles in einem Roman. Die Kombination wirkt skurril überfrachtet und nach Beachtung heischend. 

Wobei gerade eine der Ideen durchaus faszinierend ist. Was, wenn alle digital gespeicherten Bilder tatsächlich verloren gehen würden und keine digitalen Bilder mehr reproduziert werden könnten. Zeitungen, Magazine und Fernsehen. Alle müssten ohne Bilder auskommen. Information wäre Text. Malerei und klassische Fotografie wären die einzigen Möglichkeiten Bildnisse festzuhalten. Eine spannende Vorstellung. Leider geht sie neben der atemlosen Handlung, die weiter und weiter durch Warschau, Madrid, London, Paris und Acapulco jagt, fast unter. Schließlich ist das Buch ein Thriller. Ideen müssen durch Handlung und viel Action befördert werden. Was passt da besser als auch noch ein altes Buch aus der Entstehungszeit der Mona Lisa ins Spiel kommen zu lassen und daraus immer wieder mal zu zitieren. Zitate, die durchaus dazu angehalten sind, der Handlung zusätzlich auch noch eine dunkle und übersinnliche Note zu geben. Und da für die Lösung so vieler Rätsel professionelle Kompetenz gefragt ist, wird auch noch der beurlaubte FBI Beamte Greg Millner mit dem Fall betraut und macht sich fast im Alleingang auf zur Lösung all der irgendwie miteinander verflochtenen Rätsel.

Für den Leser ist das Durcheinander der durchaus spannend erzählten, aber mit der Vielzahl an Handlungssträngen überfrachtenden Geschichte irgendwann beinah unüberschaubar. Man fühlt mit Millners Boss als er an einer Stelle aufseufzt: “Ich bin jetzt seit zweiunddreißig Jahren bei der Truppe, aber so viel mysteriöse Scheiße auf einem Haufen habe ich noch nie erlebt.”
Das Buch ist in kürzeren und längeren Kapiteln aus verschiedensten Perspektiven erzählt, was für viel Abwechslung beim Lesen sorgt. Oft auch mit dem Versuch aus dem Kapitelende Spannung für eine in einem späteren Kapitel folgende Fortsetzung aufzubauen. Zumeist unnötig, weil der Leser ohne nachvollziehbarem Handlungsablauf ohnedies dem Handlungsstrang so ausgeliefert ist, wie er erzählt wird.

Tibor Rode hat mit “Das Mona Lisa Virus”ein Buch geschrieben, das eine spannende Grundidee als Basis für eine Geschichte nimmt, die ihr letztlich nicht gerecht wird. Der Leser wird mit einem Feuerwerk von Handlungssträngen, Verknüpfungen und Verwirrungen bombardiert. Dazu noch eine Prise Übersinnliches und ganz viel Mona Lisa. Möglicherweise schon genug für ein paar spannende Lesestunden. Wer sich zum Ende durchkämpft wird dann aber noch mit einem durchaus interessanten Nachwort belohnt, das neben den üblichen Danksagungen auch ein wenig auf die fachlichen Hintergründe zu dem Buch eingeht.

Und zwischenzeitlich finden sich im Buch auch nette Kleinode wie folgende Empfehlung, die Millner irgendwann mal bei seinen Ermittlungen bekommt: “Wenn du zu Hause etwas suchst, findest du den verlorenen Gegenstand in zwei Drittel aller Fälle durch Nachdenken und nur selten durch planloses Suchen”. So ist es.

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Bewertung

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