Was uns erinnern lässt

von Kati Naumann, Ilka Teichmüller (Sprecher*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 30. April 2019

Was uns erinnern lässt

Die DDR hat ihre Grenzen streng und gut bewacht. Keiner, der es nicht musste, wurde zu nahe herangelassen. Hart traf es jene Menschen, die in den Sperrgebieten nahe der Innerdeutschen Grenze lebten. Anfangs noch geduldet, wurden sie dann aber zwangsumgesiedelt. Dieses Thema verarbeitet auch Kati Naumann in ihrem Familienroman „Was uns erinnern lässt“.

Das Schicksal des Hotel Waldeshöh am Rennsteig

Die junge Milla liebt Lost Places und ist immer auf der Suche nach einem Ort, den vor ihr noch niemand entdeckt hat. Als sie im Thüringer Wald, am Rennsteig, einen überwucherten, vergessenen Keller samt Erinnerungsstücken findet, beginnt sie Nachforschungen anzustellen und stößt schon bald auf das Schicksal einer DDR-Familie. Denn über dem Keller stand einst das Hotel Waldeshöh, in das vor dem Krieg Gäste zur Erholung kamen. Doch mit der Teilung Deutschlands stand es auf einmal hinter Stacheldraht in der Sperrzone. Wanderer und Urlauber durften nun nicht mehr ins Waldeshöh und auch die Familie durfte nur mit Passierschein ihr Zuhause betreten. Doch die Repressalien des DDR-Regimes wurden noch härter. Bald durften weder Postauto noch Krankenwagen dort hinauffahren. Bis eines Tages die Zwangsumsiedelung kam…

Familiengeschichte vor DDR-Hintergrund

Kati Naumann erzählt mit „Was uns erinnern lässt“ einen soliden Familienroman, vor dem politischen Hintergrund der DDR-Regierung. Dieser Roman spielt auf zwei Ebenen, in der Gegenwart und in der Vergangenheit. Wir lesen von Milla, die im Jahr 2017 auf die Überbleibsel des Familienhotels stößt, und wir lesen von der Familie Dressel, die bis in die 1970iger Jahre jenes Hotel bewohnte. Die tragische Geschichte der Familie Dressel, die über einige Generationen hinweg ein Familienhotel am Rennsteig führte, wird zum Mittelpunkt der Erzählung. Wir erfahren von den Anfängen des Hotels, von der Zeit während des Zweiten Weltkriegs, von der Teilung Deutschlands und der anschließenden Stilllegung des Hotels. Auch wenn die Familie noch lange Zeit dort leben durfte, wenn sie bis zum Schluss hoffte, dass ihr Hotel wiedereröffnet werden würde, ist dem Hörer klar, dass es kein gutes Ende geben wird.
Kati Naumann lenkt ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese Familie. Sie zeigt uns, wie diese unter den strengen Regeln und Auflagen des Regimes lebt, wie sich die Kinder entwickeln, der Sohn eine eigene Familie gründet, die Tochter unter der Einsamkeit leidet und egozentrisch wird. Das Geschichtliche wirkt nur wie ein flatterhafter Wind, der hier und da mal durch die Handlung weht, vereinzelt historische Hintergründe vorbeiweht, denen es aber nicht gelingt, sich festzuhalten und zu entfalten. Das ist schade, hat der Klappentext doch gewisse Erwartungen geweckt, die nicht ganz erfüllt werden. Das geht zulasten der Atmosphäre und der Dramaturgie. Denn auch wenn das Schicksal der Familie Dressel hart ist, es berührt den Leser bzw. Hörer weniger, als man es erhofft hatte. Zudem wirkt die Handlung an manchen Stellen doch sehr konstruiert, etwa als die einst verschwundenen Hotelmöbel plötzlich wohlbehalten in einem anderen Hotellager wiederauftauchen.
Gelesen wird das Hörbuch von Ilka Teichmüller. Ihre warme, feste Stimme nimmt uns mit zurück in die Vergangenheit und lässt uns die tragischen Ereignisse, aber auch die Wiederentdeckung in der heutigen Zeit erleben.

„Was uns erinnern lässt“ von Kati Naumann ist eine Familiengeschichte voller Höhen und Tiefen. Es ist auch eine Geschichte vor einem spannenden, komplexen historischen Hintergrund, doch wird dieser nur hier und da angerissen. Dadurch hält man weniger einen historischen Roman in den Händen, als eine Familiengeschichte voller Schicksalsschläge.

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