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wir geh'n schon mal vor

von [kaleidoskop]
Rezension von Stefan Cernohuby | 23. Januar 2009

wir geh'n schon mal vor

Musik aus Österreich ist durchaus mit vielen Vorurteilen behaftet. Zu schnell denkt man bei aktueller Popmusik an DJ Ötzi oder den Koksskandal von Reinhard Fendrich. Was aktuelle Chartplatzierungen angeht, gibt es eigentlich im internationalen Bereich nur noch Christina Stürmer - und selbst die ist dem österreichischen Derivat einer Starsuche entsprungen. In welchen Musikzweigen kann man sich denn da noch vernünftige Veröffentlichungen erwarten?

Die Alternative-Szene Österreichs ist schon seit Jahren ein Geheimtipp. Fernab von den großen Labels, die den Bands der Alpenrepublik nur sehr wenig Aufmerksamkeit widmen - augenscheinlich gibt es ja nur 8 Millionen potentieller Käufer -, haben es viele Gruppen geschafft, sich zumindest lokal einen Namen zu machen. Mit stets präsenter Anhängerschaft, herausragender musikalischer Fähigkeiten und laufender Live-Präsenz ist es auch auf dem schwierigen Pflaster Österreichs über kurz oder lang unvermeidlich, dass zumindest kleinere Labels aufmerksam werden.
So ist es nun auch bei der Wiener Band [kaleidoskop] geschehen, die sich mit crater8records zusammengetan haben um ihren Erstling, an dem seit über einem Jahr gefeilt wurde, nun auch unter die Leute zu bringen.
Das Werk nennt sich - in eckiger Klammer, wie auch der Bandname - "[wir geh´n schon mal vor]". Gut, da fragt man sich natürlich zuerst wohin? Ist doch am Album kein Titel zu findenf, der gleich dem Namen desselbigen ist. Ganz im Gegenteil, eines der Lieder heißt sogar "...wir bleiben hier". Was nun?
Eine Frage, die nur durch das eingehende Studium der Musik beantwortet werden kann. Doch zuerst sei ein Blick auf das Design von Cover, Innenleben und Booklet geworfen. Dabei wird sofort klar, dass man hier nicht einmal ansatzweise den Verdacht erwecken will, es handle sich um eine billige Produktion. Das beauftragte Designstudio Valence hat eine beeindruckende Mischung aus verschnörkelten Formen, Kollagen und alltäglichen Elementen in die Gestaltung einfließen lassen. Auf dieselbe Art und Weise und vom selben Studio ist auch die Homepage der Band www.kaleidoskopmusik.at gestaltet worden. Da wagt man kaum zu hoffen, dass der musikalische Inhalt ebenfalls solch hohe qualitative Ansprüche zu erfüllen weiß.

Wenn man die CD in das Wiedergabegerät seiner Wahl einlegt und startet, beginnt die Wiedergabe naturgemäß mit dem ersten Lied auf dem Tonträger. Dabei handelt es sich um das Lied "zeit.punkt". Auch wenn man textlich nicht sofort herausfindet, um welchen Zeitpunkt es sich handelt, ist klar, dass für die Band hier Zeit zu rocken war. Ruhige Passagen wechseln sich mit eindringlichen Rockklängen ab und die meist getragen gesungene Stimme des Bandleaders David Sporrer wird dem neuen Hörer erstmals vorgestellt.
"Deine Liebe" erweist sich ebenfalls als Rocknummer, allerdings als eine mit alternativer Linie. Instrumenteneinsatz und Gesang versuchen bereits bei der zweiten Nummer klarzumachen, warum [kaleidoskop] diesen Namen besitzt, der ja für sich immer verändernde und niemals gleiche Perspektiven steht.
"grillenfaenger" ist auf gewisse Art und Weise das persönliche Lied von David Sporrer, handelt es sich dabei doch auch um den Namen, mit dem er gleichzeitig als Solokünstler auftritt. In dieser etwas jazzartigen Nummer wird auch die musikalische Vielseitigkeit der Band unter Beweis gestellt, indem der "grillenfaenger" im letzten Refrain doch wahrhaftig zur Mundharmonika greift und ein Ständchen zum Besten gibt.
In "wir beide du und ich" wird erstmals ein Klavier zum Einsatz gebracht, textlich hat es nur einige wenige sich wiederholende Fragmente zu bieten, die sich etwas in anderen Sphären zu bewegen scheinen. Das Genre, in das man das melodiöse Lied einordnen will, ist allerdings nicht so leicht zu eruieren.
Wer nicht glauben will, dass man ein Klavier tatsächlich glaubwürdig in eine Rocknummer einbinden kann, kann sich in "pfand.leih.gabe" davon überzeugen, dass dies doch möglich ist. Einprägsam und harmonisch hervorragend abgestimmt, klingen David Körbers Gitarre und David Sporrers Klavierspiel. Auch die rhythmische Linie des Schlagzeugs kann nur als perfekt abgestimmt bezeichnet werden. Ob dieses Lied als Single ausgekoppelt wird? Wünschenswert.
In "mein großvater war taenzer, mein vater akrobat." wird auf sehr gemächliche Art und Weise eine Geschichte erzählt. In jedem Fall wieder etwas anderes, aber ein Titel, der vielleicht nicht jedem gefällt.
Auch "ich hab´ ein Lied für dich geschrieben" ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Philosophische Gedanken über Meer, Sonne und Sterne und den Bezug zu einer bestimmten Person sind möglicherweise nicht so leicht nachzuvollziehen.
"wir bleiben hier" macht langsam verstehen, wohin [kaleidoskop] bereits vorausgegangen ist. Sie haben bewusst gedanklich die Grenze zwischen Versen und optischer Betrachtung verwischt. Einerseits ist das Lied als Liebesbekenntnis zum Geburtsland Österreich aufzufassen, andererseits zur Musik selbst. Auch hier wird wieder der sehr eigene Stil der Band deutlich. Toll.
"replay" schlägt wieder rockigere Töne an. Eine Geschichte, die sich immer wiederholt und die manchmal vorherrschende Schwierigkeit in Abwesenheit eines geliebten Menschen klare Gedanken zu fassen, können hier in den Text hineininterpretiert werden. Ebenfalls ein Lied, das Wirkung zu entfalten weiß.
Wer als Kind nicht schon mal ein Lied von einer Laterne gesungen hat, weiß nicht, was er verpasst. Das und mehr führt einfach dazu, dass man in "laterne" dazu aufgefordert wird, einmal loszulassen und mit der Band und einer Laterne durch die Stadt zu ziehen. Ob man das jetzt möchte oder nicht, tolle Gitarrensolos und der gesamtgesangliche Einsatz der gesamten Band machen dieses Stück ebenfalls zu einem Erlebnis.
"fluechtig in den schlaf gesungen" schließt das Album ab. Aber wie soll man genau sagen, worum es sich hierbei handelt? Streicher und Klavier, sind die Untermalung eines Liedes, das durchaus in der Lage ist, jemanden tatsächlich auf flüchtige Art und Weise in den Schlaf zu singen. Bluesartig, aber doch ein wenig anders. Kann man schon von einem [kaleidoskop]´schen Stil sprechen? Man kann.

"[wir geh´n schon mal vor]" ist ein musikalisch beeindruckendes Debütalbum der Band [kaleidoskop], das auch bei Amazon erhältlich ist. Musikalisch herausragend, können die vier Musiker David Sporrer, David Körber, Christian Schmid und Paul Hondl Variantenreichtum und Routine vorweisen, die viele Musiker und Gruppen erst nach Jahrzehnten entwickeln. 

Einziger Kritikpunkt: Man wird nahezu überrumpelt durch die verschiedenen Stilrichtungen. Wenn man mit Jazz, Rock, Klassik und Blues jongliert ist sicherlich nicht jedem Hörer jedes Stück ans Herz zu legen, außer dieser fühlt sich wirklich auf allen Gebieten zu Hause. Davon aber einmal abgesehen ist das Album mehr als nur empfehlenswert. Ein starkes Lebenszeichen aus der österreichischen Alternative-Szene. Es bleibt nur zu hoffen, dass es durch die richtigen Hände auch den Weg zu den wichtigen Radiosendern findet.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    05/2007
  • Umfang:
    1 CD
  • Typ:
    CD
  • ASIN:
    B000XHEWOK
  • EAN:
    9120011040152
  • Spieldauer:
    51:16 Minuten

Bewertung

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