Gebrauchsanweisung für...

Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland

von Jochen Schmidt
Rezension von Janett Cernohuby | 15. Oktober 2015

Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland

Ostdeutschland - das Land, das einmal die DDR war. Ein Land, das sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verändert hat und das auch für Urlauber interessant ist. Plant man eine Reise in den östlichen Teil Deutschlands, deckt man sich natürlich im Vorfeld mit Reiseführern, Informationen zu Ausflugszielen und Landkarten ein. Und noch etwas sollte man sich vielleicht zu Gemüte führen: die "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland" von Jochen Schmidt.

Der in Ostberlin geborene Journalist und Autor nimmt den interessierten Leser mit auf eine Reise quer durch die ehemalige DDR. Dieser Weg führt erst einmal hinauf in den Norden und an die herrliche Ostsee. Nach Ausflügen in das Stralsunder Meeresmuseum (wobei ohne Zweifel das Ozeaneum wesentlich spannender ist), geht es dann über Berlin mit seinen Baulücken, Onkel Philipp und anderen Stationen weiter Richtung Süden. Der Kyffhäuser, Wernigerode, Dessau, Ferropolis, Dresden, Radebeul, Leipzig, Chemnitz und zahlreiche andere Städte werden Ziel dieser Reisen. Was er dort (be)sucht? Er lässt den Leser an Kindheitserinnerungen teilhaben, sucht nach Gebrauchsgegenständen des DDR-Alltags und schwelgt viel in dem, was weithin als "Ostalgie" bekannt ist. Dabei gesteht er freilich ein, dass ihn früher insbesondere diese Gebrauchsgegenstände nur wenig interessiert haben. Zwischendurch erzählt er, welches Wahrzeichen die "Fit"-Flasche kopiert, was der Eierscheckenäquator ist und wo er verläuft und was der abgerissene Palast der Republik mit dem Burj Khalifa in Dubai zu tun hat.

Hier liegt also eine kompakte Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland vor. Ein Reisebegleiter, der dem interessierten Leser helfen soll, diesen östlichen Teil Deutschlands kennen und verstehen zu lernen.
Tut er das? Leider nein. Vielmehr ist es ein Roadmovie des Autors, eine Suche nach den Erinnerungen aus der eigenen Kindheit und nach der Identifikation mit den vergangenen Dingen aus der DDR. Ostalgie wird schon seit vielen Jahren gehegt und gepflegt und irgendwie tut es der Autor mit diesem Buch ebenfalls.
Dazu sei angemerkt: Es ist nicht schlecht, in Ostalgie zu schwelgen. An die eigene Kindheit zurückzudenken, sich an Gerüche, Geräusche und Geschmäcker zu erinnern - auch wir schreiben noch "Fit" auf unseren Einkaufszettel, wenngleich wir dann doch Pril kaufen. Auch wir decken uns gerne bei jedem Besuch in der alten Heimat mit Knusperflocken und Filinchen ein. Doch die hier im Buch beschriebene Sehnsucht nach den Gebrauchsgegenständen der vergangenen DDR, um in Erinnerungen zu schwelgen, ist fast zu viel des Guten. Insbesondere für "westdeutsche" Leser - oder gar Österreicher und Schweizer. Jochen Schmidt schafft es nicht, einem Leser mit anderem Hintergrund Ostdeutschland zu vermitteln. Das Ostdeutschland, wie es uns heute begegnet. Wie man es als Tourist in Dresden, Berlin oder auf Rügen erlebt.
Anders sieht es dann schon bei den Bewohnern Ostdeutschlands aus. Sie werden Jochen Schmidt und seine Motivation zu gut verstehen und nachempfinden können. Für sie wird das Buch ebenfalls zu einem Roadmovie - nur dass sie sich selbst nicht aus ihrem Lesesessel fortbewegen brauchen. Aber sie brauchen vermutlich keine Gebrauchsanweisung.

Ostdeutschland ist so viel mehr als Ostalgie. Leider gelingt es dem Autor aber nicht, das in seiner "Gebrauchsanweisung für Ostdeutschland" herüberzubringen. Im Gegenteil. Das Buch verschenkt die Gelegenheit, als Nicht-Ostdeutscher diese Region auf eine andere, persönliche Weise kennenzulernen. So ist das Werk eher für jene Menschen geeignet, die eine Beziehung zur ehemaligen DDR haben, die oft und gerne in den Erinnerungen an jene Vergangenheit schwelgen und die sich die Stationen ihrer Kindheit und Jugend noch einmal anschauen möchte. Alle anderen werden mit diesem Band leider nicht warm werden.

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