Kondorkinder


Das Spiegelbuch und die verlorenen Geschichten
von Sabrina Železný
Rezension von Stefan Cernohuby | 06. Februar 2023

Kondorkinder

Es gibt Romane, die man unbedingt lesen möchte. Bei denen man von Anfang an Feuer und Flamme ist, sie im Frühbucher-Promopack erwirbt, damit man auch alle Goodies vom Verlag dafür bekommt, und die dann einen besonderen Platz am Stapel noch zu lesender Bücher erhalten. Dann geschieht irgendwie etwas Unvorhergesehenes und man kommt doch nicht dazu sie zu lesen. Sondern erst, wenn der Roman alle möglichen Buchpreise abgeräumt hat. Ein solches Werk ist „Kondorkinder“ von Sabrina Železný.

Yawar wächst in einem kleinen Dorf in Peru auf und hat nur seine Mutter, die vor allem verhindern will, dass er Lesen und Schreiben lernt. Das einzige, was er von seinem Vater weiß, ist, dass dieser viel zu früh gestorben ist. Als eines Tages ein Fremder zu Gast ist, der seinen Vater gekannt hat und bei Padre Valentín ein geheimnisvolles Buch for Yawar hinterlegt, ist das erst der Anfang einer Odyssee, welche sich mit unterschiedlicher Besetzung über lange Zeit zieht und Geschichten in ihrem Zentrum hat.
Drei Jahrhunderte später liegt ein Buch auf dem Stapel der äußerst bibliophilen Malinka, nur um von einem anderen Studenten namens Matteo in einem kurzen Anfall an Schabernack entwendet zu werden. Obwohl er das Buch nach Kurzem zurückgibt, ist der Schaden bereits angerichtet. Denn das Buch enthielt einen Fluch, der nun auf Matteo übergegangen ist. Auf ihn, den Politwissenschafts-Studenten, der mit übernatürlichen Ereignissen gar nichts am Hut hat. Und doch erkennt er, dass er Malinka auf ihrer Reise nach Peru begleiten muss, um herauszufinden, was er gegen seinen Zustand unternehmen kann. Wie die beiden Handlungsstränge miteinander in Verbindung stehen, was ein übergroßes und sprechendes Alpaka mit der Geschichte zu tun hat und wie weit die Reise durch Orte und Zeiten führt, muss man selbst erlesen.

Erwartungen zu erfüllen ist immer schwierig, besonders wenn weder der Leser noch der Roman wissen, auf wen sie sich da einlassen. Aber beides – Lesen und Bücher – haben stets mit Geschichten zu tun und diese bilden das Zentrum des Romans, dessen Untertitel nicht ohne Grund „Das Spiegelbuch und die verlorenen Geschichten“ ist. Denn den Leser erwarten viele Teilaspekte eines großen Ganzen. Historische Ereignisse, darunter die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, das Verbot von Sprache, Traditionen und Religion. Das gleiche Peru in der Gegenwart muss mit vielen Problemen kämpfen, sozialen und politischen wie wirtschaftlichen. Und auch die Beziehung zur eigenen Vergangenheit inklusive der Sprache ist nicht unproblematisch. All diese Aspekte hat Sabrina Železný mit eingebracht und das ganz in einer in zwei Strängen erzählten Handlung integriert. Einer Handlung, der stets etwas Phantastisches innewohnt und der es gelingt, die Lesenden mit dem Unerwarteten zu versorgen. Zu weit sind die Apu von dem entfernt, was man in europäischen Breiten kennt, zu wenig weiß man über deren Verwandtschaftsverhältnisse und ihre Beziehungen zu den Menschen. Denn auch die titelgebenden Kondorkinder haben mehrere Bedeutungen – und jede von ihnen erweist sich für die Handlung als relevant. Bei letzterer hofft man auf ein Happy End für alle Beteiligten, weiß aber sehr schnell, dass das nicht möglich ist.

„Kondorkinder - Das Spiegelbuch und die verlorenen Geschichten“ ist ein in jeder Hinsicht phantastischer Roman von Sabrina Železný, in dem sie nicht nur ihre Liebe für Peru und seine Flora und Fauna einfließen lässt. Nein, Geschichte, Mythologie und etliche autobiographische Aspekte ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Einen Roman, der alle Preise und Nominierungen verdient hat und den man allen, die gute Phantastik zu schätzen wissen nur ans Herz legen kann.

Details

Bewertung

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