Ein toter Lehrer

von Simon Lelic
Rezension von Janett Cernohuby | 08. Juni 2011

Ein toter Lehrer

Mobbing ist ein aktuelles und brisantes Thema, vor dem kein Bereich Halt zu machen scheint. Egal ob Mobbing am Arbeitsplatz, zwischen Schülern und Schülern, Lehrern und Schülern oder Schülern und Lehrern - die Liste ist lang. Betroffene schweigen, werden nicht ernst genommen und finden nur schwer Gehör. Was tun, wenn alle Welt die Augen verschließt? Was tun, um diesem Teufelskreis zu entfliehen? Und viel wichtiger: Wie viel kann ein Mensch ertragen, bevor das Fass überläuft? Der Roman "Ein toter Lehrer" von Simon Lelic greift genau dieses Thema auf.

Ein grauenhaftes Bild bietet sich der Ermittlerin Lucia May, als sie die Aula der Schule betritt, den Ort des Geschehens. Vor wenigen Stunden fand hier eine Schulversammlung statt, in der Gewalt das Thema sein sollte. Das wurde es auch - auf eine äußerst brutale Art. Denn der Geschichtslehrer Samuel Szajkowski zog seine Waffe und feuerte in die Menge. Er erschoss drei Schüler und eine Lehrerin und richtete sich am Ende selbst.
Warum? Das ist die Frage, die sich die Detective May während der Ermittlung stellt. Doch während sie Zeugen befragt, Lehrer, Eltern und Schüler, fügen sich die Puzzleteile zu einem erschütternden Bild zusammen. Denn Szajkowski hatte es nicht leicht an der Schule und wurde schon bei der Einstellung abgelehnt. Der Druck von Lehrern und Schülern stieg immer mehr, bis es schließlich zu der grausamen Bluttat kam...
Während Lucia einen immer größeren Einblick in die Geschehen vor dem Amoklauf bekommt, wird durch ihren Vorgesetzten Druck ausgeübt. Denn dieser, und einige weitere hohe Herren, möchten den Fall so schnell wie möglich abgeschlossen und vor allem begraben sehen. Doch dazu ist Lucia nicht bereit. Sie will kämpfen. Für Samuel Szajkowski, für die Ermordeten, für die Überlebenden. Und für sich, denn auch sie gerät in ihrer Dienststelle immer mehr unter Druck und hat unter den Schikanen ihrer Kollegen zu leiden...

Sebastian Fitzek sagte über den Roman, dass er einen aufgewühlt zurücklassen wird. Und das stimmt. "Ein toter Lehrer" erschüttert, berührt und bewegt. Zu Beginn ist es eher die Tragik des Amoklaufs, der Tod von drei Schülern und einer Lehrerin. Doch je mehr die Protagonistin ermittelt, je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr erschüttern die Ereignisse rund um die Tat. Schon bald sind es nicht mehr nur die Opfer und deren Hinterbliebenen, die einem Leid tun. Bald empfindet man auch mit dem Täter selbst Mitleid. Denn dieser wurde seit seinem ersten Tag an der Schule nur gemobbt. Von Lehrern, von Schülern und - viel schlimmer - er wurde zudem vom Direktor ignoriert, einer Person die hätte eingreifen müssen. Stattdessen wurden die Übergriffe heruntergespielt und abgetan. Doch das Thema Mobbing zieht sich weiter durch die Geschichte. So stellt sich nicht nur heraus, dass auch Schüler schikaniert wurden. Selbst die Ermittlerin Lucia May gerät in die Schusslinie. Einige ihrer männlichen Kollegen betreiben üble Streiche mit ihr und schrecken auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück. Ihr Vorgesetzter? Fehlanzeige. Denn auch er verschließt seine Augen vor der Wahrheit und denkt viel mehr nur an Profit und Prestige.
Der Roman ist Fiktion, doch das Thema und seine Aussage leider nicht. Mobbing ist ein sehr aktuelles und brisantes Thema. Wo beginnt es? Wann beginnt es das Opfer wahrzunehmen? Und wie reagieren sein Umfeld und seine Mitmenschen darauf? Szenarien des Buches können sich genauso tagtäglich wiederholen. Ein Mensch wird von Kollegen, Schülern, Mitmenschen aufs schlimmste schikaniert und trotzdem will dies keiner sehen oder wahrhaben.
Neben dem gewählten Thema ist es auch der Erzählstil, der zu überzeugen und fesseln versteht. Denn der Autor Simob Lelic hat seinen Roman ganz besonders aufgebaut. Während ein Kapitel in Romanform aus der dritten Person die aktuellen Ereignisse schildert, ist das nächste Kapitel die Zeugenaussage eines Lehrers, Schülers oder Elternteils. Es ist ein ganz eigener Stil, der dem Buch aber eine Spannung verleiht, wie es der "klassische" Erzählstil wohl nie geschafft hätte. Man hat als Leser die Möglichkeit, die Wochen, Monate vor der Bluttat noch einmal mitzuerleben. Man spürt die Beleidigungen und Schikanen, man verachtet die Menschen dahinter. Und man empfindet Ohnmacht gegenüber der Tatsache, dass niemand eingreifen wollte.

"Ein toter Lehrer" ist kurz gefasst ein Roman, der sich zum einen mit einem aktuellen und brisanten Thema auseinandersetzt, zum anderen einen ungewöhnlich und gleichzeitig fesselnden Schreibstil besitzt. Es ist ein Buch das bewegt, aufwühlt und nachdenklich zurücklässt. Thrillerfreunde sollten an diesem Werk nicht vorbeigehen, sonst entgehen ihnen fesselnde Lesestunden.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2011
  • Umfang:
    352 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    342619869X
  • ISBN 13:
    9783426198698
  • Preis (D):
    16,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung