Eier

von Dirk Stermann
Rezension von Stefan Cernohuby | 05. September 2010

Eier

So mancher Prophet gilt im eigenen Lande nicht so viel, sondern kann sich erst in fremden Gefilden wirklich entfalten. So ist es auch Dirk Stermann ergangen, der als gebürtiger Duisburger in Wien als eine Hälfte des Radio- und TV-Duos „Stermann und Grissemann“ mittlerweile Kultstatus erreicht hat. Die schriftstellerischen Ergüsse des Kabarettisten sind allerdings nicht jedem bekannt. Dem kann mit dem Buch „Eier“ abgeholfen werden.

Stilecht beginnt das Werk mit einer Kurzgeschichte, die so manchem Hörer des Radiosenders FM4 bekannt vorkommen könnte - nämlich einem „Tatsachenbericht“ über die mangelhafte Ausstattung von Theatern und die Kosten einer Theaterkarte im Vergleich zum Einkommen einer sechsköpfigen Schauspielerin. Weiter geht es mit Jugenderinnerungen an die Ex-Hippie-Eltern, danach werden vier typische deutsche Städte vorgestellt, um zu beweisen, dass Wien einfach lebenswerter ist. Der Leser erfährt dabei interessante Fakten, so zum Beispiel, dass Stuttgart eigentlich nur ein großer Campingplatz ist, Hannover eine Kläranlage und dass in Nürnberg niemand an Gott glaubt. Ein wiederkehrendes Thema ist eine Zugreise durch Georgien, wo ein Deutscher, ein Österreicher und ein Russe an immer absonderlichere Stätten gelangen. Philosophiert wird über Muttertag, Mütter von Massenmördern und Reisen in Kühe. Die weiteren Erzählungen drehen sich um Wortspiele, seltsame Gedankengänge und sehr freie Assoziationen. Zahlreiche der in diesem Buch versammelten Erzählungen stammen aus der Zeitschrift „Wiener“, für die Dirk Stermann regelmäßige Kolumnen geschrieben hat.

Regelmäßigkeit, ein roter Faden oder auch nur irgendwelche Ähnlichkeiten sind zwischen den Kurzerzählungen nicht zu finden - abgesehen davon, dass sie alle gleichermaßen absurd sind. Dirk Stermann stellt Gedankengänge vor, die extrem verwirrend sind. Er zieht absichtlich völlig falsche und lachhafte Behauptungen als Fakten heran, um auf ihnen eigene Ideenkonstrukte aufzubauen. Das bietet zwar eine unendliche Anzahl an potenziellen Erzählungen, ist für den Leser allerdings schwer zu verdauen - besonders wenn er vorhat, mehrere Geschichten hintereinander zu lesen. Es empfiehlt sich daher, immer nur eine der Kurz- und Kürzesterzählungen zu konsumieren und sie danach ein wenig ruhen zu lassen, bevor man sich an der nächsten versucht. Leider sind nicht alle Erzählungen auf dem gleichen Niveau gehalten wie das gelungene erste Exemplar. Auch wenn sich der eine oder andere Lichtblick unter den Geschichten findet, kann das Endergebnis leider nicht als überdurchschnittlich bezeichnet werden. Freunde satirischer Texte und Fans des Kabarettisten werden höchstwahrscheinlich auf ihre Kosten kommen. Jemand, der sich aber ohne Vorwissen an jenes Buch wagt, könnte möglicherweise negativ überrascht werden. Denn so ganz koscher sind, beziehungsweise ist, „Eier“ nicht.

Dirk Stermann, Kabarettist, Radiomoderator und Schauspieler, hat im Buch „Eier“ zahlreiche seiner literarischen Ergüsse zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst. Leider weisen diese eine starke Schwankung auf, nicht nur in ihrer Qualität, sondern auch in Thema, Geschmack und tieferem Sinn. Daher kann man das Werk wirklich nur wahren Fans und Liebhabern experimenteller satirischer Literatur empfehlen.

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