Die Spur der Bücher

von Kai Meyer
Rezension von Stefan Cernohuby | 14. Dezember 2017

Die Spur der Bücher

Drogen sind naturgemäß gefährlich. Nimmt man zu wenig, passiert nichts. Nimmt man zu viel, besteht die Gefahr einer Überdosis. Aber wie ist das mit Büchern? Ist schon jemand an einer Überdosis an Büchern gestorben. In Büchern? Möglich wäre es durchaus, denn an dieser Stelle setzt Kai Meyer mit seinem neuen Roman „Die Spur der Bücher“ an. Hier erleben wir so viele Bücher auf unterschiedlichen Ebenen, dass tatsächlich eine Gefahr zu bestehen scheint - durch jene Seiten, die so manchem die Welt bedeuten.

Gleich zu Beginn geht alles schief. Mercy Amberdale scheitert grandios, bei einem Einbruchsversuch bei der grauen Eminenz Chinatowns, Madame Xu. Da einer ihrer besten Freunde bei dem Versuch stirbt, schwört die junge Bibliomantin Mercy ihren Fähigkeiten komplett ab, lässt ihre Familie zurück und beschränkt sich darauf, für reiche Sammler seltene Bücher aufzuspüren. Bis ein Buchhändler aus ihrem direkten Umfeld in seiner Bibliothek verbrennt, ohne dass auch nur ein einzelnes Buch Feuer fängt. In einer Welt, in der die Kluft zwischen Arm und Reich weit aufklafft und in der man entweder Bücher besitzen oder nur Penny Dreadfuls lesen kann, wird Mercy in Ereignisse verwickelt, deren Dynamik sie nicht mehr entkommen kann. Die Schwester eines alten Freundes verschwindet und wird ermordet. Eine tragende Rolle spielen ein gestohlenes Buch, aber auch ein geheimnisvoller Autor von Schundheften, eine Kritikerlounge und zwei angeblich ausgelöschte Renegatenfamilien. Und über allem steht die Entscheidung Mercys, ihre Bibliomantie nicht mehr einzusetzen. Eine Entscheidung, die alle in Gefahr bringt...

Wie schon eingangs erwähnt, sorgt Kai Mayer mit diesem Werk beinahe für eine Überdosis an Büchern. Als Vorgeschichte seiner Reihe „Die Seiten der Welt“ dringt man hier in tiefer in die Welt der Bücher und vor allen der Bibliomanten ein – also all jener, die mit Hilfe von Büchern oder eben Schundromanen Magie wirken. All dies passiert in der viktorianischen Zeit, mit vielen Anspielungen auf damalige Ereignisse oder literarische Gestalten. Insbesondere die Referenzen auf Jekyll und Hyde sowie Jack the Ripper sind klar zu erkennen. Doch selbst wenn man Bücher über alles liebt, ist einem als Leser eine Welt, in der sich anscheinend alles um Literatur, Kritiker, Buchhandlungen, Buchmagie und Verleger dreht, beinahe etwas zu viel. Und vermutlich kann man den vorliegenden ersten Band der Vorgeschichte von „Die Seiten der Welt“ auch mehr genießen, wenn man die zeitlich später angesiedelte Reihe bereits kennt. Die Charaktere sind gut angelegt und vor allem die Protagonistin hat Fehler, die sie sich eingestehen muss. Zusätzlich wird ihr ganzes Leben von den Fehleinschätzungen geprägt, die sie gemacht hat. Denn diese Fehler haben zu Todesfällen geführt – etwas, das man nicht einfach wiedergutmachen kann.
Das letztendliche Urteil fällt etwas gemischt aus. Die Charaktere und deren Einsatzwille machen einiges von der Bücher-Überdosis wieder gut. Insofern kann man das Werk sicherlich allen empfehlen, denen die Reihe „Die Seiten der Welt“ gefallen hat.

„Die Spur der Bücher“ ist eine etwas andere Kriminalgeschichte. In der Welt der Erfolgsreihe „Die Seiten der Welt“ angesiedelt, folgt man einer abstinenten Bibliomantin auf dem Weg durch ein viktorianisches London. Die sympathischen und leicht lädierten Charaktere kompensieren ein wenig hohe Dosis an Buchthemen, die einem zwischen den Buchdeckeln eines Buchs, das sich einer Welt, die sich nach Büchern ausrichtet, zwangsläufig begegnet. Fans werden hier ohnehin zugreifen, Quereinsteiger haben aber ebenfalls keine Probleme sich zurechtzufinden.

Details

Bewertung

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