Das Heiligenspiel

von Ursula Niehaus
Rezension von Janett Cernohuby | 25. Januar 2009

Das Heiligenspiel

Glaube und Aberglaube begleiten die Menschen seit Jahrtausenden. Dabei waren diese zu verschiedenen Epochen auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Das Mittelalter und besonders die daran anschließende Zeit der Hexenverfolgung waren Hochzeiten für jeglichen Glauben. So wurden Menschen rasch zu Heiligen oder Hexer, wenn sie etwas taten, was der damals eingeschränkte Wissenstand nicht erklären konnte. Von einer solchen Begebenheit erzählt auch Ursula Niehaus zweiter Roman "Das Heiligenspiel".

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Annas Geburt ist überschattet von einer Reihe Unglücken, darunter auch der tragische Tod ihres Vaters. Etwas, dass ihre Mutter sie immer wieder deutlich spüren lässt. Bei jeder Gelegenheit nörgelt sie an dem jungen Mädchen herum. Auch als ihre Tochter Opfer einer Intrige wird, wendet sich die Mutter von ihr ab. So wird Anna als Kupplerin verurteilt und mit Schimpf und Schande aus der Stadt verjagt. Die junge Frau findet Unterschlupf bei einem alten Kräuterweib, das im Wald lebt. Von ihr lernt sie vieles über Kräuter und Heilkunst. Doch Anna zieht es nach Augsburg zurück und dank der Hilfe ihrer Lehrmeisterin wird der einstige Urteilsspruch über sie aufgehoben. Dort lebt sie von nun an im Seelhaus. Plötzlich erkrankt Anna an einer schweren Magenentzündung und kann keine Nahrung mehr bei sich behalten. Lediglich die Heilige Hostie muss sie nicht erbrechen. Sofort erwacht in ihren Schwestern der Glaube, Anna sei eine Hungerheilige, die von nichts anderem als dem Leib Christi lebt. Als die Bevölkerung Augsburgs davon erfährt, pilgern sie regelmäßig zu der Heiligen; erbitten ihren Segen und Zuspruch und bringen als Dankeschön Opfergaben in Form von Geld und Lebensmitteln. Anna ist anfangs verunsichert, lebt sich aber schnell in ihrer neuen Rolle ein. Doch sie hat auch Neider und langsam naht ein drohendes Unheil heran...

"Das Heiligenspiel" ist ein unterhaltsamer Historienroman, der den Leser in das mittelalterliche Augsburg entführt. Zu Beginn wird der Leser vielleicht das eine oder andere Problem haben, in die Handlung hineinzufinden. Dazu trägt vor allem die sehr moderne und lockere Sprache einen großen Teil bei. Fast kommt man sich vor, wie in einer zeitgenössischen Familie, in der die Tochter sich mit Freundinnen treffen und etwas unternehmen will, die Mutter das aber nicht gerne sieht. Ähnlich ist es auch hier. Anna trifft sich mit einer standestechnisch höhergestellten, besten Freundin. Sie gehen zusammen fort - in ein öffentliches Bad - damit die Freundin dort heimlich ihren Liebsten treffen kann. Natürlich werden sie entdeckt und Anna wandert ins Gefängnis. Das alles ist sehr rasant und kurzweilig geschrieben, was einerseits die Handlung voranbringt, aber andererseits dem Leser wenig das Gefühl für den Ort und vor allem die Zeit gibt. Dieser moderne Ton setzt sich durch die Handlung fort. Zwar stört man sich irgendwann nicht mehr so daran, wie zu Beginn, doch wirklich anfreunden wird sich ein wahrer Fan historischer Literatur wohl nicht.
Aber nicht nur die Sprache weist Mankos auf. Auch an die Figuren, besonders an Anna, muss sich der Leser erst einmal gewöhnen. Gerade zu Anfang wirkt sie derartig naiv und dumm, dass sie einem fast schon unsympathisch erscheint. Erst während ihrer "Lehrzeit" bei der Kräuterfrau ändert sich dies, obwohl für den Leser nur unklar dargestellt wird, was Anna nun genau zum Umdenken bewegt.
Und zum Schluss sind es auch allgemeine Handlungselemente, die für einen historischen Roman einfach zu oberflächlich dargestellt werden. Etwa Annas Familiensituation. Ihre Mutter lebt seit dem Tod ihres Gatten alleine und muss alleine für ihrer beider Lebensunterhalt sorgen. Dennoch hat Anna eine jüngere Schwester. Im weiteren Verlauf stellt sich dann zwar heraus, dass dieses zweite Kind aus einer außerehelichen Liebschaft hervorging - aber das war es dann auch. Gerade im Mittelalter hätte das doch für Klatsch und Tratsch, besonders bei den Nachbarn sorgen müssen! Doch davon ist weit und breit im Roman nichts zu finden. Auch die bedingungslose Akzeptanz Annas Heiligkeit bei den Stadtbürgern ist zu einfach dargestellt. Hatte sie denn anfangs wirklich keine Zweifler? Und auch später, als sie zwar wieder essen konnte, es aber vor allen geheim hielt. Fiel denn niemandem auf, dass sie wenigstens im Gesicht wieder wohlgenährter aussah?
Die Geschichte weist also viele Mankos auf, die es als ernstzunehmenden historischen Roman in keinem guten Licht darstellen. Dennoch ist es eine angenehme, leicht und rasch zu lesende Unterhaltungslektüre. Wem diese Oberflächlichkeit reicht und wer nur einmal ins Mittelalter hineinschnuppern möchte, der wird mit diesem Buch durchaus zufrieden sein. Für wirkliche Fans dieses Genre, die mehr über das Leben, die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse jener Zeit erfahren wollen, die werden wohl eher enttäuscht sein.

Zusammengefasst ist "Das Heiligenspiel" ein durchschnittlicher Unterhaltungsroman vor einem historischen Hintergrund. Er erzählt vom tragischen Leben einer unschuldig in Intrigen geratenen jungen Frau, die trotzdem tapfer und mutig ihren Weg geht. Wem diese Ingredienzien reichen, der wird hier einen unterhaltsamen Roman finden. Wer jedoch mehr erwartet, könnte enttäuscht werden.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    12/2008
  • Umfang:
    569 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783426662571
  • Preis (D):
    16,95 €

Bewertung

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