Papst Franziskus - vom Reaktionär zum Revolutionär

von Paul Vallely
Rezension von Stefan Cernohuby | 08. September 2014

Papst Franziskus - vom Reaktionär zum Revolutionär

Gelegentlich erlebt die Welt, beziehungsweise ihre Bevölkerung, Überraschungen. Bezogen auf die römisch-katholische Kirche sind neben den (eigentlich wenig überraschenden) Vorwürfen der letzten Jahre, zwei wesentliche besondere Ereignisse passiert. Die Wahl des aktuellen Papstes und seine Art, die Kirchengeschäfte zu führen. Selbstverständlich ist dazu bereits eine erhebliche Menge an Literatur veröffentlicht worden. Nachdem uns allerdings ein Buch angeboten wurde, das seine mehr oder weniger dunkle Vergangenheit den aktuellen Taten gegenüberstellen soll, haben wir das Angebot angenommen. Das im Konrad Theiss Verlag erschiene Buch heißt "Papst Franziskus - Vom Reaktionär zum Revolutionär".

Wenn ein bereits ziemlich betagter Kardinal zum Papst gewählt wird, der erste, der aus Südamerika stammt, ist das schon eine Sensation für sich, zudem es völlig andere Favoriten gab. Doch schon allein die Reaktionen auf die Wahl des Mannes, der mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio heißt, zeigen den ambivalenten Einfluss dieses Geistlichen. Als erster Jesuit - einem Orden, dessen höchstes Credo ist es, nicht nach Einfluss zu streben - zum Papst gewählt, fanden die Anhänger seines eigenen Ordens keine lobenden Worte. Kritik kam auch aus Argentinien selbst, seiner Heimat. Als der neue Papst Franziskus, erster seines Namens, aufrief sich ein Beispiel an Franz von Assisi zu nehmen, um eine arme Kirche für die Armen der Welt zu schaffen, war der Aufschrei innerhalb der Kirche groß. Doch Worten folgten Taten und seit Jahrhunderten ist Franziskus der erste Papst, der nicht die päpstlichen Prunkgemächer bezogen hat, sondern bei den einfachen Priestern lebt. Auch seine Dialogfähigkeit mit anderen Glaubensgruppierungen, oppositionellen Organisationen sowie von der Kirche eigentlich geächteten Gruppen ist bemerkenswert. Umso mehr, als seine Vergangenheit aus einer Aneinanderreihung von Auseinandersetzungen und Problemen bestanden hat. Als stets streng erzkonservativer Vertreter seines Ordens war Disziplin eine seiner herausragenden Eigenschaften. Doch er war lange ein Unterdrücker jeglichen Fortschrittes, der seine eigenen Untergebenen an die Kandare legte - und unbarmherzig gegen jegliche andersdenkende Opposition vorging. Selbst die Entführung zweier Priester durch das frühere Militärregime lastet man ihm an.

Das Buch verspricht, die Wandlung eines ehemals reaktionären Priesters zu einem weltoffenen Papst nachzuvollziehen und dabei die Vergangenheit von Franziskus kritisch zu beleuchten. Gelingt dem Buch selbiges?
Die Antwort auf diese Frage muss wohl lauten: mehr oder weniger. Fakt ist, das Buch rollt äußerst gelungen die Ereignisse auf, die zur Papstwahl geführt haben. Das Ausklingen des Pontifikats von Papst Benedikt dem XVI., der als erster Vertreter seines Amts seit über 400 Jahren zurückgetreten ist, über die Wochen vor der Wahl bis hin zu den Ereignissen während der unterschiedlichen Urnengänge sind hervorragend und spannend. Doch was die Vergangenheit von Jorge Mario Bergoglio angeht, wird nur teilweise auf Fakten zurückgegriffen. Etliche Abschnitte wirken, als wäre hier im Trüben gefischt worden, worauf man danach mehr oder weniger auf wilde Vermutungen angewiesen gewesen wäre. Man liest zwar von Aussagen ehemaliger Priester, Bekannten und ähnlichem, auf belegte Quellenverweise wurde aber (offenbar bewusst) verzichtet. Trotzdem ist es sehr spannend von einem Mann zu lesen, der sich anscheinend erst im letzten Lebensdrittel zu einem besseren und vor allem offenerem Mann gewandelt hat. Einem Mann, der offenbar in der Lage ist, sich seine Einfachheit zu bewahren und dennoch einer modernen Zeit anzupassen. Im Gegensatz zu einem Vorgänger, der sich sichtlich nach einer Vergangenheit vor dem zweiten vatikanischen Konzil gesehnt hat und sich hauptsächlich durch Fehler und schwache politische Entscheidungen hervorgetan hat. Ob Papst Franziskus, der sich selbst den Zusatz "der Erste" verbittet, tatsächlich jenen heilsamen Einfluss auf die verstaubte katholische Kirche, die seit Jahrzehnten nur mit Problemen kämpft, haben kann, den viele von ihm erhoffen, wird wohl erst die Zukunft zeigen - auch angesichts seines fortgeschrittenen Alters. Insgesamt ist das Werk interessant, ohne jedoch eine Offenbarung zu sein - interessante Lektüre, solider Durchschnitt.

"Paul Vallely hat mit Papst Franziskus - Vom Reaktionär zum Revolutionär" ein Werk verfasst, dass versucht, dem aktuellen Oberhaupt der katholischen Kirche in allen Aspekten gerecht zu werden und dabei auch dunkle Kapitel seiner Vergangenheit zu beleuchten. Dies gelingt jedoch nicht in jeder Beziehung völlig. Doch auch wenn in mancherlei Hinsicht relativ wilde Spekulationen angestellt werden ist das Werk sehr gut geeignet, um sich über den Werdegang und die Stationen von Jorge Mario Bergoglio, bis hin zu seinen aktuellen Taten als Papst, zu informieren. Ein solides Werk, das jedoch nicht unbedingt herausragend ist.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    08/2014
  • Umfang:
    239 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • ASIN:
    3806229376
  • ISBN 13:
    9783806229370
  • Preis (D):
    24,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
    Keine Bewertung
  • Gefühl:
  • Erotik:
    Keine Bewertung