Nackter Mann, der brennt

von Friedrich Ani, Ulrich Noethen (Sprecher*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 14. Oktober 2016

Nackter Mann, der brennt

Misshandlungen, missbrauchte Kinder und späte Rache begegnen uns immer wieder in Kriminalromanen. Sie erschüttern und lösen ein beängstigendes Gefühl in uns aus. Der Münchner Autor Friedrich Ani hat in seinem Roman "Nackter Mann, der brennt" ebenfalls diese Elemente aufgegriffen, setzt sie aber viel düsterer und viel grausamer um.

Mit vierzehn Jahren flieht ein Junge aus einem bayrischen Dorf nach Berlin. Die in seiner Kindheit erfahrenen Misshandlungen versucht er mittels Drogen und Alkohol zu vergessen. Mit über fünfzig Jahren kehrt er als Ludwig Dragomir zurück. Weder hat er die Misshandlungen vergessen, noch seine Spielkameraden, die ebenfalls gequält wurden. Und er hat nicht vergessen, wer die Peiniger waren. Sie holt er jetzt, einen nach dem anderen. Er foltert sie und übt Rache – für sich und seine Kameraden.

Allein schon der Ortsname des kleinen Dorfes ist ein Hohn. Heiligsheim. Wie heilig die Menschen dort waren, wird schnell deutlich. Schonungslos, brutal und unbarmherzig erzählt Friedrich Ani die Leidensgeschichte des Protagnisten. Ebenso gnadenlos berichtet er von dessen Rachefeldzug. Nach und nach verschwinden die einstigen Peiniger, die noch immer erhobenen Hauptes durch das Dorf spazieren und tun, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Als wäre ihre Gottesgläubigkeit echt. Als wären sie anständige Bürger mit sauberen Westen.
Von den ersten Worten an legt sich ein dunkler Schatten über die Hörer. Dieser erdrückt und lässt ein ungutes Gefühl aufkommen. Im Buch gibt es keine Momente des erleichterten Aufatmens oder der hoffnungsvollen Lichtblicke. Die Geschichte ist düster und bleibt es bis zum Schluss. Ludwig, der Protagonist, verstärkt diese Stimmung. Seine dunkle Ausstrahlung, sein verschlossenes, kaltherziges Wesen, seine eiskalte Brutalität lassen den Hörer erschauen. Klar, er hat Furchtbares in seiner Kindheit erlebt, für das er sich nun rächt. Doch weder kommt beim Hörer Mitleid auf, noch Verständnis. Man betrachtet den Protagonisten emotionslos von außen. Man will für ihn nichts fühlen - weder Sympathie noch Antipathie. Entkommen kann man nicht, denn es ist Ludwig selbst, der erzählt. Der uns Einblicke in seine Kindheit gewährt, ohne direkt auszusprechen, was geschehen ist. Er liefert Andeutungen, halbe Sätze, die aber völlig ausreichen, um beim Leser das düstere Bild entstehen zu lasen.
So entwickelt sich eine Geschichte mit einer dichten Atmosphäre, die uns in einen Strudel aus Gewalt, Rache und Gegengewalt hineinzieht. Wer sind die Bösen, wer die ganz Bösen? Hat jeder seine Rechnung bezahlt oder ist noch etwas offen? Die Handlung fesselt und zieht den Hörer mit sich. Die hier geschilderte Tragik lässt den Hörer nicht zur Ruhe kommen. Ähnlich wie den Protagonisten selbst.
Gesprochen wird das Hörbuch von Ulrich Noethen. Er hat ein Gespür für die handelnden Figuren und die verschiedenen Szenen. Seine vielseitige Stimme trifft nicht nur den richtigen Ton, ihr gelingt es, die vom Autor beschriebene erdrückende Stimmung auf das Hörbuch zu übertragen.

"Nackter Mann, der brennt" ist kein Roman mit einem guten Ausgang. Für das Opfer nicht, das zum Täter wurde, für die Täter nicht, die zu Opfern wurden. Friedrich Ani erzählt einen spannenden Roman voller Zorn, Wut, Gewalt und Gegengewalt. Schonungslos brutal nimmt er seine Leser und Hörer mit, zeigt ihnen die Abgründe der Menschlichkeit. Das Buch versteht zu fesseln und in Atem zu halten.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Sound: