Das Seelenhaus

von Hannah Kent
Rezension von Janett Cernohuby | 27. September 2014

Das Seelenhaus

Manchmal sind wir zu schnell mit unseren Urteilen. Wir hören etwas - eine Meinung, eine Ansicht - vernehmen diese vielleicht noch ein zweites Mal in ähnlicher Form und schon haben wir uns eine Meinung gebildet. Ohne zu hinterfragen, ohne eine zweite Sicht der Lage einzuholen. Mit einem solchen Verhalten stecken wir Menschen viel zu schnell in Schubladen, urteilen über sie - und werden ungerecht. Auch in Hannah Kents Roman "Das Seelenhaus" wurde ein Urteil über jemanden gefällt, ohne dieser Person richtig zugehört zu haben.

Island 1828. Jón Jónsson und seine Frau Margrét sind entsetzt. Der Landrat hat bestimmt, dass die Familie eine zum Tode verurteilte Mörderin bis zu deren Hinrichtung auf dem Hof verwahren soll. Die Magd Agnes ist angeklagt, zusammen mit einem jungen Paar, ihren Gutsherrn Natan Ketilsson und einen weiteren Mann erschlagen, erstochen und anschließend verbrannt zu haben. Agnes, die gelernt hat hart zu arbeiten und ihre wahren Gedanken und Gefühle für sich zu behalten, nimmt das Urteil scheinbar gleichgültig an. In den Augen ihrer Bewacher erscheint dies wie ein stilles Schuldeingeständnis. Auf dem Kornsáhof muss Agnes bei der Ernte kräftig anpacken, was sie ihre bevorstehende Hinrichtung manchmal vergessen lässt. Doch als der Herbst kommt und der Winter Einzug hält, lässt die Untätigkeit die Erinnerungen an jene schicksalsträchtige Nacht zurückkommen. Und dann - Stück für Stück - bricht Agnes ihr Schweigen und erzählt der Hausherrin ihre Geschichte. Die Geschichte von einem Leben, das bestimmt war von harter Arbeit und der Sehnsucht nach Liebe. Liebe, die sie hoffte in Natan Ketilsson gefunden zu haben - nur um dann festzustellen, dass er mit Menschen spielte, sie für seine Zwecke benutzte. So lange, bis eines Tages zwei dieser Menschen nicht mehr mitspielen wollten.

Die australische Schriftstellerin Hannah Kent erzählt mit viel Gefühl die tragische Geschichte einer jungen Frau. Wortgewandt entführt die Autorin ihr Publikum ins Island des Jahres 1828. In ein Land, dessen Bevölkerung größtenteils in ärmlichen Verhältnissen lebt. So erlebt der Leser (oder Zuhörer, da es sich hierbei ja um das Hörbuch handelt) einen Sommer und einen beginnenden Winter auf einem typischen isländischen Hof mit. Die Armut und bescheidenen Mittel, die den Familien zur Verfügung stehen, sind regelrecht zu spüren.
Im Mittelpunkt des Hörbuchs steht eine Frau, die zum Tode verurteilt wurde. Ebenso ein grausamer Mord, der den Leser von Anfang an ahnen lässt, dass mehr dahinter steckt, als bisher bekannt. Was, das offenbart sich erst langsam, gegen Ende des Romans. Bis dahin lernt man eine Frau kennen, die in frühester Kindheit von ihrer Mutter verlassen wurde und auf das Wohl anderer angewiesen war. Eine Frau, die als Magd arbeitete; von Hof zu Hof, von Dienstherr zu Dienstherr zog und nun dieses grausamen Mordes beschuldigt wird. Die bedrückende Situation lastet nicht nur auf der Gutsfamilie, die Agnes bis zu deren Hinrichtung verwahren muss, nicht nur auf der Verurteilten, sondern auch auf den Hörern. Hoffnungslos wirken die Monate, die Agnes auf dem Kornsáhof verbringt, und stets hat man die nahende Hinrichtung im Hinterkopf. Gekonnt hält Hannah Kent diese ausweglose Stimmung konstant aufrecht. Man entwickelt keine falsche Hoffnung auf Rettung, man möchte nur erfahren, was sich wirklich in der Mordnacht zugetragen hat. Als man es schließlich erfährt, wird aus der Hoffnungslosigkeit Ohnmacht. Denn es gibt keine Rettung - für niemanden. Es gibt kein Happy End, aber ein realistisches, überzeugendes Ende. Ein Ende, das zu dieser Geschichte passt und gehört, denn alles andere hätte den Roman zerstört.

"Das Seelenhaus" ist nicht nur das dramatische Schicksal einer Frau, die 1828 in Island lebte, es ist auch ein fesselnder, spannender und ergreifender Roman. Es ist eine Geschichte die berührt und bewegt. Eine Geschichte, in der aus Hoffnungslosigkeit Verzweiflung und Ohnmacht wird. Die Adaption als Hörbuch ist dabei durch die beiden Sprecher Tobias Kluckert und Vera Teltz stimmungsvoll und ergreifend gelungen, so dass man hier einfach nur eine Kaufempfehlung aussprechen kann.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2014
  • Umfang:
    6 CDs
  • Typ:
    CD
  • ISBN 13:
    9783899039184
  • Spieldauer:
    465 Minuten

Bewertung

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