Thin

von Lowland Hum
Rezension von Stefan Cernohuby | 06. Oktober 2017

Thin

Die Unterschiede zwischen Hochland und Flachland sind nicht nur landschaftliche Besonderheiten, sie führen oft auch zu einer unterschiedlichen Mentalität und Grundstimmung. Das aus Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia stammende Duo Lowland Hum versucht diese Stimmung in ihrem aktuellen Album „Thin“ zu vermitteln.

Minimalismus und Zerbrechlichkeit

Schon das Albumcover verrät, dass hier kein Wert auf überbordenden Farbeinsatz oder spezielle künstlerische Gestaltung gelegt wird. Neben Interpret und Titel erkennt man lediglich eine Zusammenrottung aus Weiß und ein wenig Grau, ohne viel Struktur. Hinter dem Namen steht das Ehepaar Lauren und Daniel Goans, ihre Musik entsteht in enger Zusammenarbeit. Auch der Rest des Bandkonzeptes wird zwischen der Sängerin und früheren Grafikerin Lauren und dem Songwriter Daniel direkt abgestimmt. Nach zwei Alben, einer Konzept-EP und einer beinah pausenlosen Tour durch die USA erscheint nun das dritte Album des Duos. Ein rein musikalischer Frontalangriff auf Europa führt ihre aktuelle Tour durch Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich und die Niederlande. Ein guter Grund sich dem Tonträger näher zu widmen.

Die einzelnen Tracks

Gleich zu Beginn erhält man mit „Palm Lines“ einen Eindruck von Weite und Zerbrechlichkeit. Durch den minimalistischen Einsatz von Stimme und Instrumenten scheint auch der Titel des Albums nachvollziehbarer zu werden.
Ein bisschen mehr an Western, etwas Folk, Neugier und vielleicht sogar etwas von Filmsoundtrack verbreitet Adonai, der zweite Song auf dem Album. Ein Lied mit mehr Substanz.
„In Flight“ lautet der Titel des dritten Songs. Dieser wirkt ein wenig wie eine musikalische Übung zum Zerlegen von Akkorden, beziehungsweise Dreiklängen. Textlich ist es keine große Offenbarung – ein Lullaby, wie am Anfang gesungen wird.
Mit einem „Compass“ kann man sich besser orientieren. Bei diesem Lied weiß man allerdings nicht ganz, wo die Reise hingeht. Sowohl gesanglich als auch rhythmisch bedient sich das Stück besonders in der ersten Hälfte erfolgreich bekannter Elemente, klingt kurz beinahe nach Crannberries, um am Ende leider wenig spektakulär zu verklingen.
Das Lied „Family Tree“ klingt traurig und kündet von Verlust und Schmerz, was in diesem Fall zusätzlich durch ein Klavier unterstützt wird, aber dennoch nicht vollständig überzeugt.
Sehr minimalistisch ist „Vedauvoo“ gestaltet, geht leider nicht wirklich ins Ohr und zeichnet sich am ehesten dadurch aus, dass man Geräusche im Hintergrund hört – vermutlich gewolltes Zwitschern von Vögeln.
Ein sehr klassisches Duett ist „Folded Flowers“, in dem beide Sänger tatsächlich das gleiche singen. Im Vergleich zu den anderen Liedern ist dieser Track stark instrumentiert – ohne dabei aber seine absichtliche Fragilität zu verlieren. Ein gelungener Song.
„Thin Places“ lässt mehrere Gitarren, etwas Percussion und einige Klavierakkorde aufeinandertreffen, die zusammen erst im Laufe des Lieds Gestalt annehmen.
Manchmal würde man vorgefasste Meinungen gern aufgeben. Man benötigt nur „Someone to Change My Mind”. Bis zur Mitte des bis dahin minimalistischen Songs wartet man, dass etwas passiert. Und das geschieht dann auch, wo plötzlich die Gesangsstimme verzerrt wird und das Lied in dieser Form endet. Überraschend.
Mit treibendem Rhythmus beginnt „Winter Grass“, Landschaft, um den Song dann mit einem überraschenden Zitat aus einem Brief von Vincent Van Gogh über Jahreszeiten ausklingen zu lassen.
„Yesterday Is Forever“, lautet der abschließende Track des Albums, das mit sanftem Stimmeinsatz verklingt und den Hörer etwas ratlos zurücklässt. Wie etwas Unvollendetes.

Fakt ist, „Thin“ ist ein Album, bei dem man die beiden verantwortlichen Musiker sehr stark fühlt. Bei dem man immer meint, sich nah am Zentrum dessen zu befinden, was das Ehepaar Goans berührt hat und ausmacht. Leider gelingt es nur phasenweise diese Nähe auch in Begeisterungsfähigkeit umzuwandeln – oder besser gesagt, in Lieder, die man gerne öfter hören möchte. Ist man ein großer Fan von Folk, gibt man sich mit Minimalismus zufrieden und bevorzugt man fragile Klänge, kann man sich bestimmt auch mit diesem Album von Lowland Hum anfreunden. Sucht man nach etwas mehr Substanz, sollte man lieber zu einem anderen Album greifen.

Tracklist:

1. Palm Lines
2. Adonai
3. In Flight
4. Compass
5. Family Tree
6. Vedauwoo
7. Folded Flowers
8. Thin Places
9. Someone to Change My Mind
10. Winter Grass
11. Yesterday is Forever

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Englisch
  • Erschienen:
    10/2017
  • Umfang:
    1 CD
  • Typ:
    CD
  • ASIN:
    B01N7TQ6HU
  • Spieldauer:
    37:47 Minuten

Bewertung

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